„FDP produziert großen Schaden“

Verbrenner-Aus: Europäische Partner verärgert, Ampel zerstritten

Haben Verbrennerneuwagen in Europa nach 2035 noch eine Zukunft? Darüber gibt es Streit in der EU und in der Ampel (Symbolfoto).

Haben Verbrennerneuwagen in Europa nach 2035 noch eine Zukunft? Darüber gibt es Streit in der EU und in der Ampel (Symbolfoto).

Verwunderung, Gereiztheit und Ärger machen sich aktuell in Brüssel breit. Von Erpressung ist hinter vorgehaltener Hand in den Fluren der EU-Kommission die Rede, von Methoden à la Viktor Orban. Der Grund für die Wut: die FDP.

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So hat die Ankündigung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), gegen das im Grundsatz bereits geeinte Verbrenner-Aus zu stimmen, die Brüsseler Diplomaten kalt erwischt. Hintergrund der FDP-Forderung ist, dass die Liberalen einen Vorschlag verlangen, wie auch nach 2035 Verbrennerneuwagen zugelassen werden können, die nur noch mit E-Fuels betankt werden können. Darauf hatte man sich mit der Kommission bereits geeinigt. Nun aber befürchtet die FDP offenbar, dass der zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans dieser Vereinbarung nach dem Beschluss nicht nachkommt. Also wollen sie den Vorschlag jetzt sehen.

EVP: Ampel läuft Gefahr, Glaubwürdigkeit zu verspielen

Der Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, wirft der FDP vor, die vergangenen Monate „verschlafen“ zu haben. „Hätte sie sich früher für den Verbrenner stark gemacht, wäre die Situation nicht so verfahren, wie sie jetzt ist“, sagt der CSU-Vize dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), der ein Verbot der Verbrennertechnologie ebenfalls ablehnt, aber das Management der FDP kritisiert: „Die FDP und ihr Parteichef Lindner haben über die Bundesregierung in den EU-Verhandlungen nichts erreicht und produzieren jetzt in letzter Minute einen großen Schaden. Die Ampel läuft Gefahr, in der EU jede Glaubwürdigkeit als seriöser Verhandlungspartner zu verspielen“, warnt er.

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Auch in der Ampel hat die Ankündigung der FDP für Ärger gesorgt. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) etwa sieht das Vertrauen anderer EU-Staaten in Deutschland in Gefahr: „Deutschland sollte im Kreis der EU-Partner ein verlässlicher Partner bleiben“, sagte sie. Die Grünen fühlen sich nicht nur überrumpelt, sondern befürchten auch, dass die Drohung der FDP eine Kettenreaktion auslösen könnte. Deren Sorge: Wenn die EU-Kommission auf Wunsch von Deutschland Anpassungen mache, dann könnten auch andere Länder weitere Forderungen erheben.

Und tatsächlich haben sich im Schatten von Deutschland bereits Italien, Polen und Bulgarien formiert, um mehr oder minder offen gegen das Verbrenner-Aus zu opponieren. Die nötige qualifizierte Mehrheit im Rat der EU-Staaten für den alten Vorschlag ist wahrscheinlich nicht mehr zu erreichen. Dazu wäre das Ja von mindestens 15 EU-Staaten nötig, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Umweltministerin Steffi Lemke und Verkehrsminister Volker Wissing – uneins in Sachen Verbrenner-Aus.

Umweltministerin Steffi Lemke und Verkehrsminister Volker Wissing – uneins in Sachen Verbrenner-Aus.

Die Angst der Grünen ist groß, dass nicht nur das Verbrenner-Aus, sondern am Ende das ganze EU-Klimapaket auf der Kippe steht. Denn das Verbrenner-Aus ist essenzieller Teil des „Fit for 55″-Pakets – der Plan, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Die Sorge gibt es offenbar auch bei den EU-Partnern: Frankreich etwa rief Deutschland bereits öffentlich zum Einlenken auf. Und Spaniens Vizeregierungschefin Teresa Ribera warnte, dass andere Länder bei anderen Themen ein ähnliches Manöver versuchen könnten.

Scholz stellt sich auf Seite der FDP

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derweil scheint der Frieden mit der FDP wichtiger zu sein als der mit der EU-Kommission und den EU-Partnern. Anfang der Woche stellte der Sozialdemokrat sich hinter den Verkehrsminister – auch er sieht die EU-Kommission am Zug. Auf der Kabinettsklausur in Meseberg sagte Scholz, die Bundesregierung sei sich einig, dass sie davon ausgehe, dass die Europäische Kommission einen Vorschlag machen werde, wie E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden könnten. Dies sei bereits im vergangenen Jahr in enger Diskussion mit der Kommission „politisch wirksam“ gemacht worden. „Und jetzt geht es darum, dass es klar ist, dass das auch tatsächlich kommt.“

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Doch so einig in der Frage ist man sich nicht. Grüne verweisen darauf, dass die EU-Staaten zunächst das Verbrenner-Aus beschließen und dann die EU-Kommission einen Vorschlag machen müsse und nicht andersherum. In der SPD-Bundestagsfraktion wirft man den Liberalen vor, Nebelkerzen zu zünden. Dort erklärt man sich das plötzliche Beharren der FDP auf E-Fuels mit Parteiprofilierung infolge der verlorenen Landtagswahlen.

Verkehrsminister treffen sich am Montag

In Brüssel scheint inzwischen klar, dass es kaum noch eine Alternative zu einer Änderung des Kommissionsvorschlags gibt, wenn die EU-Kommission ihr komplettes Klimapaket retten will. Hätte ein kleineres EU-Mitgliedsland gedroht, das Verbrenner-Aus zu kippen, wäre die Behörde von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aller Voraussicht nach hart geblieben. Doch wenn sich das wirtschaftsstärkste Land der EU querstellt, dann schrillen die Alarmglocken und ein Aufbegehren ist nicht mehr ganz so einfach.

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Dem Vernehmen nach wird die EU-Kommission aller Voraussicht nach einen Vorschlag machen, wie Verbrennungsmotoren auch über das Jahr 2035 in Neuwagen verbaut werden dürfen. Unklar ist allerdings noch, wann die Kommission entscheidet und wie umfangreich die Änderungen im Gesetz ausfallen. Die Kommission wollte sich dazu bislang nicht äußern. Man arbeite an der Sache, hieß es lediglich.

Wie nun bekannt wurde, werden sich einige EU-Verkehrsminister am Montag in Brüssel treffen. Eingeladen zum Gipfel hat Tschechien. Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums bestätigte dem RND, dass Bundesminister Wissing am Treffen teilnehmen wird. Auch die EU-Kommission wird demnach dabei sein.

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