Barley will Miet-Abzocker ausbremsen
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Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD).
© Quelle: Thomas Koehler/photothek.net
Frau Barley, wie finden Sie, dass eine Mehrheit von Männern über ein Thema wie das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche entscheidet?
Grundsätzlich finde ich es gut, dass sich auch Männer mit dem Thema beschäftigen. Sie sind ja bei der Zeugung von Kindern nicht ganz unbeteiligt. Aber konkret: Wir wollen, dass sich Frauen in Notlagen objektiv informieren können und sich Ärztinnen und Ärzte als Fachleute nicht strafbar machen, wenn sie informieren.
Die Union besteht jedoch auf dem sogenannten Werbeverbot im Paragraf 219a.
Wir führen innerhalb der Koalition darüber Gespräche. Wir brauchen eine gesetzliche Lösung, die den betroffenen Frauen hilft und Ärztinnen und Ärzte nicht länger kriminalisiert. Der jetzige Zustand ist unhaltbar.
Auch bei der Mietpreisbremse hakt es. Sie wollen Vermieter verpflichten, über die Höhe der Vormiete Auskunft zu geben. Die Union blockiert. Wie lösen Sie das?
Die Mietpreisbremse steht im Koalitionsvertrag, den die Union ebenfalls unterschrieben hat. Das waren harte Verhandlungen, doch jetzt ist es unser gemeinsames Vorhaben. Deswegen wird es auch umgesetzt.
Können Sie dann wirklich Mieten senken?
Es geht darum, explodierende Mieten zu verhindern. In manchen Gegenden haben sich die Preise in den letzten Jahren verdoppelt. Diese Entwicklung verdrängt Menschen aus ihren Wohngebieten. Familien können sich in der Stadt teilweise gar keine Wohnung mehr leisten. Die Angst geht da inzwischen bis weit in die Mittelschicht. Viele Mieter fühlen sich skrupellosen Spekulanten ausgeliefert.
Was wollen Sie also konkret?
Konkret wollen wir per Gesetz verhindern, dass Menschen durch Luxussanierungen aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Wenn ein Vermieter dagegen verstößt, muss er zur Rechenschaft gezogen werden können. Zudem muss ein Mieter erfahren können, wie hoch die Vormiete in seiner neuen Wohnung war. Denn nur wer weiß, dass er abgezockt wird, kann sich auch dagegen wehren und auf die Einhaltung der Mietpreisbremse pochen.
Frustriert Sie der Widerstand auf Unionsseite bei vielen Themen?
Natürlich ärgert mich, wenn meine Vorhaben nicht so schnell durchkommen, wie es möglich wäre. Gerade beim Thema Mieten merkt man, dass die SPD die Partei der Mieterinnen und Mieter ist. Andere Parteien stehen woanders. Wir sind eben drei unterschiedliche Parteien. Das darf man auch merken.
Ein gemeinsames Thema ist der Datenschutz bei sozialen Netzwerken. Können Sie Facebook zum korrekten Umgang mit Daten bringen?
Ja, das können wir. Wobei wir natürlich direkten Einfluss nur auf den Datenschutz in Europa haben. Die Ankündigung von Mark Zuckerberg, die Daten von nichteuropäischen Nutzern künftig nicht mehr in der EU speichern zu wollen, zeigt doch die Angst vor rechtlichen Konsequenzen. Ich habe das Verhalten von Facebook in einem Schreiben an ihn thematisiert. Es geht aber nicht nur um Facebook, sondern insgesamt um den Umgang mit persönlichen Daten in der digitalen Welt.
Muss man noch mehr gegen Hass im Netz tun?
Die Freiheit der Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Das ist die Leitschnur unseres Handelns. Gleichzeitig dürfen wir Hass und Hetze, im Netz oder anderswo, nicht tolerieren. Ich behalte die Entwicklung im Auge – jetzt geht es aber zunächst darum, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden.
Verbraucherschützer warten ungeduldig auf die Musterfeststellungsklage. Vielen vom Dieselskandal betroffenen VW-Fahrern läuft die Zeit davon. Wann beschließt das Kabinett?
Die Zeit drängt in der Tat. Deswegen habe ich die Musterfeststellungsklage auch direkt am Tag meines Amtsantrittes auf den Weg gebracht. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass diese Eine-für-alle-Klage am 1. November dieses Jahres in Kraft treten muss. Ich gehe davon aus, dass das Kabinett die Musterfeststellungsklage Mittwoch nächster Woche beschließen wird.
Wann rechnen Sie mit dem ersten Verfahren gegen VW?
Wir müssen verhindern, dass die Geschädigten des VW-Dieselskandals aufgrund von Verjährung ihre Ansprüche verlieren. Deswegen mache ich bei dem Thema auch so viel Druck. Erste Verfahren müssen noch in diesem Jahr starten können.
Von Thoralf Cleven und Gordon Repinski/RND