Belarus oder Weißrussland – wenn Ländernamen zum Politikum werden

Arbeiter streiken in Minsk.

Arbeiter streiken in Minsk.

Hannover. Als deutsche Medien erstmals über die mutmaßlich gefälschten Wahlen in “Europas letzter Diktatur” berichteten, war die Irritation groß – was die korrekte Bezeichnung des osteuropäischen Landes betraf: Weißrussland, Belorußland (damals noch mit “ß”), Belarus, was denn nun? Noch bei der Qualifikation zur Fußballweltmeisterschaft 2018 war ganz selbstverständlich von Weißrussland die Rede. Jetzt, zwei Jahre später, gilt dieser Name nicht mehr als opportun.

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Dass deutsche Medien erst jetzt reagieren, ist Ausdruck einer verspäteten Sensibilisierung für dieses Thema. Lange lag das Land in einer Art “totem Winkel” der Wahrnehmung, zumindest aus westlicher Sicht. Sonst hätte man eigentlich schon Ende 1991 registrieren müssen, dass die “Republik Belarus”, die sich als eine der letzten aus der Erbmasse der untergegangenen Sowjetunion für selbstständig erklärte, politisch eigene Wege geht – und auch im Namen deutlich auf Emanzipation von Russland setzt.

“Belorußland” im Osten, “Weißrussland” im Westen

Belarus ist eine Kombination aus “weiß” und “Rus”. Mit Rus ist aber nicht das heutige Russland gemeint, sondern das mittelalterliche, skandinavisch-slawische Herrschaftsgebiet, die Kiewer Rus, Wiege der späteren ukrainischen und russischen Fürstentümer. Es gab die “Weiße Rus” (womit vermutlich der Westen der Kiewer Rus bezeichnet wurde), die “Schwarze Rus” und die “Rote Rus”.

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Nach dem Zerfall der Kiewer Rus im zwölften und 13. Jahrhundert unter dem Ansturm der Mongolen war das Schicksal von Belorus und der Ukraine eng mit dem Aufstieg Russlands zu einer europäischen Großmacht verbunden. “Weißrussland” wurde später in der Sowjetunion eine von 15 Teilrepubliken. In der DDR übrigens war als Bezeichnung Belorußland für diese Sowjetrepublik verbreitet. Die Bundesrepublik legte sich auf Weißrussland fest.

Belarus statt Weißrussland: Minsk geht es um mehr als Semantik

Bedingt durch die enge historische als auch kulturelle Verwandtschaft gewannen nach der Unabhängigkeit scheinbare Nebensächlichkeiten wie die korrekte Bezeichnung des Landes an Bedeutung. “Belarus is not Russia” war auf Plakaten von Demonstranten jüngst zu lesen. In Minsk – wie auch in Kiew in der Ukraine – legt man Wert auf eine nicht nur geografisch basierte größere Nähe des Landes zu Europa.

Minsk kämpft seit Jahren gegen die Bezeichnung Weißrussland, es geht um mehr als Semantik, beispielsweise auch um Identität. Offizielle Stellen in Deutschland, Österreich und Schweiz tragen dem schon länger Rechnung. Doch erst im Zuge der aktuellen politischen Krise um mutmaßliche Wahlfälschungen und die Protestbewegung hat die korrekte Bezeichnung des Landes auch die Medien erreicht.

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