Belarus-Polen: Prekäre Lage in der Grenzregion – Leiche entdeckt
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In der Grenzregion zwischen Polen und Belarus ist auf der polnischen Seite die Leiche eines Syrers gefunden worden.
© Quelle: Getty Images
Warschau. Die polnische Polizei hat im Wald an der Grenze zu Belarus die Leiche eines jungen Syrers gefunden. Wie die Polizei am Samstag mitteilte, wurde der Tote am Vortag in der Nähe des Dorfs Wolka Terechowska entdeckt. Die genaue Todesursache habe nicht festgestellt werden können, hieß es. In dem seit mehreren Monaten andauernden Migrationskonflikt mit Belarus sind damit insgesamt mindestens neun Tote gemeldet worden.
Die EU wirft der Regierung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko vor, einer neuen Welle der Massenmigration Vorschub zu leisten und so Instabilität im Staatenbund zu schaffen. Damit wolle er Vergeltung für Sanktionen üben, die die EU wegen des brutalen Vorgehens gegen Dissidenten in Belarus gegen seine Regierung verhängt hat. Die EU spricht von einem „hybriden Angriff“. Belarus hat die Vorwürfe zurückgewiesen, erklärt aber auch, Flüchtlinge und Migranten würden nicht länger am Versuch gehindert, in die EU zu gelangen.
Seit Beginn des Jahres kam es nach Angaben des polnischen Grenzschutzes zu 33.000 Versuchen eines illegalen Grenzübertritts, davon allein 17.000 im Oktober. Polen sowie Litauen und Lettland haben ihre Grenzsicherung zuletzt ausgebaut, um die neue Migrationsroute zu blockieren. Mit dem herannahenden Winter und sinkenden Temperaturen wird die Lage für die im Grenzgebiet ausharrenden Menschen immer gefährlicher.
Lukaschenko ordnet humanitäre Hilfe an
Der autoritäre belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat unterdessen humanitäre Hilfe vor allem für die Kinder der im Grenzgebiet zu Polen gestrandeten Migranten angeordnet. Es sollten etwa Essenszelte aufgestellt werden, meldete die belarussische staatliche Nachrichtenagentur Belta am Samstag.
Lukaschenko steht allerdings in der Kritik, die Menschen überhaupt erst in diese miserable Lage gebracht zu haben. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Tausende seit mehreren Tagen in provisorischen Camps im Wald aus. Am Samstagmorgen versammelten sich belarussischen Angaben zufolge mehrere Dutzend Menschen direkt am geschlossenen Grenzübergang Kuznica und riefen „Deutschland, Deutschland!“. Viele der Migranten hoffen auf ein Leben in der Bundesrepublik.
Russlands Präsident Wladimir Putin hofft auf einen direkten Dialog zwischen Deutschland und dem autoritär geführten Belarus. „Ich habe es aus Gesprächen mit Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko und Kanzlerin (Angela) Merkel so verstanden, dass sie bereit sind, miteinander zu sprechen“, sagte Putin in einem Interview, das am Samstag im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.
Wegen der Krise um die Migranten, die an der EU-Außengrenze gestrandet sind, hatten Merkel und Putin mehrfach miteinander telefoniert. Dabei bat die Kanzlerin den Kremlchef um ein Eingreifen in den Konflikt. Später hatte der Kreml mitgeteilt, dass Moskau sich um eine Lösung bemühen wolle. Die EU wirft dem oft als „letzten Diktator Europas“ kritisierten Lukaschenko vor, gezielt Migranten aus Krisengebieten einfliegen zu lassen und weiter in Richtung Polen zu schleusen. Vermutet wird, dass der 67-Jährige sich so für Sanktionen rächen und den Westen zum Dialog zwingen will.
Mit Blick auf Drohungen aus Minsk sagte Russlands Staatschef, er hoffe, dass Lukaschenko in dem Konflikt mit dem Westen nicht den Gastransit einstelle. Er habe zweimal mit Lukaschenko gesprochen. „Er hat das nicht einmal erwähnt. Aber er kann das tun. Aber das führt zu nichts Gutem, und ich spreche natürlich mit ihm über das Thema.“ Ein Stopp des Transits wäre auch eine Verletzung der Vereinbarungen zwischen Russland und Belarus. „Ich hoffe, dass es dazu nicht kommt.“ Lukaschenko hatte vor einigen Tagen damit gedroht, den Gastransit durch die Jamal-Europa-Leitung einzustellen.
Der Kreml unterstrich, dass Russland nichts mit der Krise in der Grenzregion zu tun habe. Keine russische Fluggesellschaft sei daran beteiligt, „diese Leute zu transportieren“, sagte Putin. Zugleich warf er dem polnischen Grenzschutz „inhumanes Handeln“ vor. Es komme jetzt dazu, dass „polnische Grenzschützer und Vertreter der Streitkräfte diese potenziellen Migranten schlagen, über ihren Köpfen aus Kampfwaffen in die Luft schießen, nachts Sirenen und Licht anschalten an den Aufenthaltspunkten, wo Kinder und Frauen in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft sind“.
US-Präsident Joe Biden hat sich besorgt über die Lage in Weißrussland geäußert. „Wir halten das für sehr besorgniserregend. Wir haben Russland und Weißrussland unsere Besorgnis mitgeteilt“, sagte Biden vor Reportern am Freitag (Ortszeit).
Er äußerte sich nur wenige Stunden, nachdem Vizepräsidentin Kamala Harris bei einem Besuch in Frankreich ähnliche Bedenken zur Sprache gebracht und das Thema mit Präsident Emmanuel Macron besprochen hatte. Weißrussland sei in sehr beunruhigende Aktivitäten verwickelt und die Augen der Welt und der führenden Politiker beobachteten, was dort geschehe, sagte Harris auf einer Pressekonferenz.
RND/AP/dpa/Reuters