Bertelsmann Studie: Jeder Dritte vertritt populistische Meinungen

AfD-Anhänger bei einer Kundgebung in Bayern: Die Rechtspopulisten gewinnen zunehmend an Zustimmung.

AfD-Anhänger bei einer Kundgebung in Bayern: Die Rechtspopulisten gewinnen zunehmend an Zustimmung.

Berlin. Populistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung nehmen zu. Etwa jeder dritte Bundesbürger, 30,4 Prozent, ist "populistisch eingestellt", so das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann Stiftung. Das sind knapp vier Prozent mehr als im sogenannten Populismusbarometer des Vorjahres.

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Auch die "Intensität", mit der diese Einstellung vertreten werde, habe zugenommen, stellten die Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) in ihrer Befragung fest. Von diesem Trend profitiere derzeit am stärksten die AfD, aber auch die Linkspartei könne diese Wähler für sich gewinnen. Für die Traditionsparteien CDU, CSU und SPD hingegen werde dieser Trend dagegen zunehmend zum Problem.

Populismus aus wissenschaftlicher Sicht

Der Studie zufolge ist Populismus eine „dünne Ideologie“. Sie teile die Gesellschaft auf der einen Seite in das Volk und auf der anderen in die politischen Eliten, das sogenannte Establishment, ein. Dazu gehörten Politiker, Wirtschaftsbosse oder auch Journalisten. Dem zugrunde liege die Vorstellung, dass sowohl im Volk als auch in der politischen Elite einheitliche Meinungen herrschen. Für Meinungsvielfalt sei im Populismus kein Platz. Daraus ergebe sich eine oft diffuse Unzufriedenheit mit der tagesaktuellen Politik. Und eine Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer durch Globalisierung und Digitalisierung immer komplexer werdenden Welt.

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Deutsche nicht mehr immun gegen Populismus

Obwohl die Wirtschaft gedeiht und die Arbeitslosenquote auf ein historisch niedriges Tief gesunken ist, ändere sich in Deutschland gerade etwas. Die Deutschen, die anders als viele EU-Bürger in Italien, Österreich, Ungarn oder Frankreich lange Zeit immun gegen Populismus waren , öffnen sich zunehmend solchen Positionen.

Ein Drittel der Bevölkerung sei dafür weiterhin nicht empfänglich, so eine Erkenntnis der Forscher. Aus diesem Teil der Gesellschaft würden die Grünen ihre Wähler beziehen. Sie sind die Partei, die laut der Studie die wenigsten populistischen Angebote mache.

Den Erfolg der AfD erklären die Forscher umgekehrt mit deren populistischem Angebot. Von den Anhängern populistischer Positionen, die sich selbst als politisch rechts verorten, wählen 70 Prozent die AfD. Der AfD gelinge es demnach, obwohl längst in fast allen Parlamenten vertreten, sich als Speerspitze der Bürger im Kampf gegen das sogenannte „Establishment“ zu inszenieren. Das mache sie trotz der teilweise rechtsnationalen Äußerungen auch für Menschen der politischen Mitte wählbar.

Potenzial der AfD begrenzt, Aufschwung für SPD theoretisch möglich

Andererseits, das zeigt die Befragung auch, ist das Wählerpotenzial der AfD begrenzt. So gaben 71 Prozent aller Befragten an, sie würden die AfD „auf keinen Fall wählen“. Das ist mehr als bei jeder anderen im Bundestag vertretenen Partei. 51 Prozent bezeichnen die Linke als unwählbar. Die Grünen würden 31 Prozent der Studien-Teilnehmer nie wählen. Bei der FDP und den Unionsparteien sind es jeweils 29 Prozent. Nur 23 Prozent der Wahlberechtigten würden auf keinen Fall die SPD wählen. Die Zahl möglicher Wähler, die sie nicht von vornherein ausschließen, ist damit bei den Sozialdemokraten am niedrigsten.

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Wohnungsbau und Zuwanderung sind bestimmende Themen

Die Forscher konnten auch thematische Standpunkte ausmachen, die bei Wählern besonders beliebt sind oder gemieden werden: Politiker, die sich gegen mehr Volksabstimmungen und für die Aufnahme von „sehr vielen neuen Flüchtlingen“ aussprechen, riskieren laut Umfrage ihre Beliebtheit beim Wahlvolk. Jene, die deutlich höhere Investitionen in den sozialen Wohnungsbau fordern, schneiden aktuell bei den Wählern besonders gut ab.

Für die Studie wurden im Frühsommer mehr als 3400 Wahlberechtigte vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap befragt. Sie sollten angeben, welche Partei sie bei der Bundestagswahl 2017 gewählt haben und wo sie sich auf einer Links-Rechts-Skala selbst verorten. Sie wurden aufgefordert, bestimmte Aussagen etwa zur „Volkssouveränität“ oder der „politischen Elite“ zu bewerten.

Klingbeil: Populisten nicht hinterherlaufen

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat angesichts der Ergebnisse der Studie gefordert, die Parteien dürften Populisten nicht hinterherlaufen. „Wer sich in den Wettbewerb um die populistischste Forderung begibt, wird am Ende immer gegen die extremen Kräfte an den Rändern verlieren“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Denn sie verschieben die Grenze des Sagbaren einfach immer ein Stück weiter. „Die politische Mitte gewinnt man durch Wahrhaftigkeit und konkrete Lösungen zurück. Nicht durch die schrillste Botschaft“, sagte Klingbeil.

Von RND/nie/dpa

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