Besuchsverbote und Schulschließungen: Rufe nach Hilfe für Eltern und Senioren
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Schulkinder verlassen die Grundschule. Die Schulen und Kitas in mehreren Bundesländern bleiben von Montag an geschlossen.
© Quelle: Carsten Rehder/dpa
Berlin. Die Bundesländer reagieren auf die rasante Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2. Ab kommenden Montag schließen mehrere Bundesländer alle Schulen. Zum Teil sind auch Kindertagesstätten von der Regelung betroffen. Das haben am Freitag zunächst Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bayern, Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und das Saarland bekanntgegeben.
Laut bayerischer Regierung soll eine Notfallbetreuung eingerichtet werden – und zwar für die Fälle, in denen nur ein Elternteil das Kind betreuen kann, aber zugleich in einem systemkritischen Beruf arbeitet, wie Ärzte, Polizisten oder Krankenpfleger. Auch die niedersächsische Landesregierung kündigte eine Notbetreuung für Kinder an, deren Eltern in Pflege und Medizin, aber auch bei der Polizei oder der Feuerwehr arbeiten.
Das Saarland, wo ab Montag alle Schulen und Kindertageseinrichtungen geschlossen bleiben sollen, kündigte ebenfalls an, eine Notversorgung der Betreuung für Familien sicherzustellen. In Hamburg und Berlin fordern Abgeordnete eine entsprechende Notbetreuung.
Kinderschutzbund: Schulschließungen sind “verantwortungsvoll”
Der Kinderschutzbund hält Schul- und Kita-Schließungen für “verantwortungsvoll und richtig”, wie Präsident Heinz Hilgers dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagt. “Die Ausbreitung des Coronavirus stellt uns alle vor Herausforderungen. Eine Situation wie diese ist für uns alle neu. Wissenschaftler betonen, wie wichtig es ist, soziale Kontakte auf das Notwendige zu beschränken”, so Hilgers.
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“Wir als gesamte Gesellschaft sind nun gefordert, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie Kinder dennoch gut und sicher betreut werden können”, sagt Hilgers. Eine Möglichkeit sei das Homeoffice für berufstätige Eltern, doch das werde nicht für alle möglich sein. Deshalb betont er: “Die Länder sind auch in der Verantwortung, geeignete Notbetreuungen und auch unkomplizierte Hilfe im Einzelfall unbürokratisch und flexibel zur Verfügung zu stellen. Ich bin sicher, wenn wir uns kreativ und solidarisch verhalten, können wir die Situation gut meistern.”
Marburger Bund fordert Notbetreuung in allen Bundesländern
Der Marburger Bund fordert ebenfalls eine entsprechende Ausnahme für Kinder von Ärzten und medizinischem Personal – und zwar bundesweit. “Es müssen in allen Bundesländern alternative Betreuungsangebote für Kinder geschaffen werden, deren Eltern in Gesundheitseinrichtungen oder anderen unverzichtbaren Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge arbeiten”, sagt Susanne Johna, die Erste Vorsitzende des Marburger Bundes.
Sie ergänzt: “Wir können es uns in der jetzigen Situation schlichtweg nicht leisten, Personal zu verlieren, das für die Behandlung von Patienten oder an anderer Stelle dringend gebraucht wird.” Die Betreuung solle in Kindergärten und Horteinrichtungen erfolgen, so Johna.
Besuchsverbote in Alten- und Pflegeheimen
Die Frage nach der Kinderbetreuung ist auch deshalb so brisant, weil Großeltern in Zeiten der Coronaviruskrise kaum infrage kommen. Ältere Menschen zählen zur Risikogruppe, bei der die Krankheit besonders gefährlich verlaufen kann. Der Freistaat Bayern untersagt daher sogar Angehörigen weitgehend den Besuch von Alten- und Pflegeheimen. Das Besuchsrecht werde deutlich eingeschränkt, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag in München.
Das hat auch Folgen für die Isolierten: Mathilde Langendorf, Sprecherin der Caritas, spricht von einem “Einsamkeitsrisiko”. “Es gibt aber auch schon eine Reihe von Initiativen”, sagt sie dem RND. In sozialen Netzwerken bieten Menschen unter dem Hashtag #Coronahilfe ihre Unterstützung an, etwa um Einkäufe für ältere Menschen in der Umgebung zu erledigen. “Manche hängen auch einen Zettel im Treppenhaus aus”, sagt Langendorf.
Die verschiedenen Einrichtungen und Angebote der Caritas benötigten freiwillige Helfer mehr denn je, bestätigt die Sprecherin. Wer sich engagieren will, solle sich an den entsprechenden Ortsverband wenden. “Wir werden als Gesellschaft darauf angewiesen sein, dass alle einen Beitrag leisten", sagt sie.
“Auf freiwillige Helfer angewiesen”
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bestätigte auf RND-Anfrage, dass ihre Pflegeeinrichtungen die Besuchskontakte beschränken können, um das Risiko zu minimieren, dass das Virus in die Einrichtung getragen wird. “Ältere pflegebedürftige Menschen stellen immer eine besondere Risikogruppe hinsichtlich Infektionskrankheiten dar”, sagte eine Sprecherin. Um das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich zu halten, würden bereits die bestehenden Notfallpläne umgesetzt. Die Pflegeeinrichtungen seien sensibilisiert und geschult, Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen strikt einzuhalten.
Was die praktische Hilfe im Alltag angeht, sind aus AWO-Sicht keine pauschalen Lösungen möglich. “Je geschwächter das Immunsystem des Einzelnen ist, zum Beispiel durch andere Erkrankungen, desto eher sollte man unnötige Kontakte meiden und gegebenenfalls auch nicht einkaufen gehen”, so die Sprecherin. “Hier ist es durchaus eine Unterstützung, wenn Angehörige oder Dienste das Einkaufen für Personen der Risikogruppe übernehmen.” Gesunde ältere Menschen müssten ihr eigenes Risiko abwägen und können bei Bedarf und unter Beachtung der nötigen Schutz- und Hygienemaßnahmen auch selbst einkaufen gehen. “Sinnvoll wäre dann, dies zu Zeiten zu machen, in denen die Märkte nicht so voll sind”, so die AWO.
(mit dpa)