Brexit-Abkommen: Status von Nordirland sorgt weiterhin für Konflikte

Der Streit um Nordirland bedroht das Brexit-Abkommen zwischen Großbritannien und der EU noch immer.

Der Streit um Nordirland bedroht das Brexit-Abkommen zwischen Großbritannien und der EU noch immer.

London/Belfast. Wann geht Großbritannien im Nordirland-Streit aufs Ganze? Kaum ein Tag vergeht, an dem der britische Brexit-Minister David Frost der EU nicht mit einer Eskalation droht. Am Freitag unternahmen beide Seiten einmal mehr den Versuch, zu einer Lösung zu kommen. Bisher wirkten die gegensätzlichen Standpunkte in einigen Streitfragen unvereinbar. Nach der bislang vierten Gesprächsrunde der Chefverhandler begrüßte EU-Kommissar Maros Sefcovic zumindest eine „veränderte Tonlage“.

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Die Atmosphäre rund um die Treffen ist bislang eher von Drohungen und Warnungen geprägt gewesen. So hatte Frost immer wieder angekündigt, das London eine gemeinsam ausgehandelte Vereinbarung zum Status von Nordirland nach dem Brexit aussetzen könnte, woraufhin es aus EU-Kreisen hieß, dass dann Gegenmaßnahmen eingeleitet würden.

Bexit-Abkommen könnte schlimmstenfalls aufgehoben werden

Wenn London den schon berühmt-berüchtigten Artikel 16 auslöst, hätte das gravierende Folgen, die kaum absehbar sind: Im schlimmsten Fall könnte es dazu führen, dass das mühsam über Jahre ausgehandelte Brexit-Abkommen zwischen EU und dem Vereinigten Königreich Knall auf Fall aufgehoben würde - nicht einmal ein Jahr nach seinem Inkrafttreten. Ein Handelskonflikt zwischen den engen Alliierten wäre dann kaum noch abzuwenden, und die Konsequenzen für den Friedensprozess auf der irischen Insel will sich lieber niemand vorstellen.

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Der Reihe nach: Das Protokoll, von Minister Frost ausgehandelt und vom amtierenden Premierminister Boris Johnson abgesegnet, soll eine harte Brexit-Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland verhindern. Ansonsten, so die Befürchtung, könnte die Gewalt in der früheren Bürgerkriegsregion neu entflammen. Die Idee: Nordirland bleibt Mitglied von EU-Zollunion und Binnenmarkt. Doch das bedingt, dass seither Waren zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs kontrolliert werden müssen. Und diese Zollgrenze in der Irischen See ist Loyalisten in der Provinz ein Dorn im Auge. Für die EU ist sie wichtig, damit Waren über Großbritannien nicht unkontrolliert in die Union kommen.

Der britische Brexit-Chefunterhändler David Frost will Änderungen am Brexit-Abkommen, das er selbst ausgehandelt hatte.

Der britische Brexit-Chefunterhändler David Frost will Änderungen am Brexit-Abkommen, das er selbst ausgehandelt hatte.

Regale in nordirischen Supermärkten bleiben leer

Die britische Regierung verweist auf ganz praktische Probleme. So blieben vorübergehend Regale in nordirischen Supermärkten leer. Die EU hat nun auf britische Forderungen hin nachgegeben und bietet an, die Zollformalitäten unter anderem für Lebensmittel deutlich zu vereinfachen. Doch London will mehr: Mittlerweile will Johnsons Regierung, dass anders als vereinbart der Europäische Gerichtshof nicht mehr die letztentscheidende Instanz für Nordirland-Fragen sein dürfe. Diese Forderung lehnt die EU-Kommission strikt ab.

Befeuert wird der Streit von der Lage in Nordirland, die sich zuletzt stark zugespitzt hat. Bewaffnete und maskierte Männer, vermutlich radikale Anhänger der Union mit Großbritannien, brachten zwei Passagierbusse in ihre Gewalt und zündeten sie an. Die rauchenden Trümmer wirken nun wie Menetekel für das, was kommen könnte. Obwohl einige Akteure in London hinter den Kulissen versuchen, Frosts Drohkulisse abzuschwächen, sind die meisten Experten der Ansicht, es sei keine Frage mehr, ob Johnson Artikel 16 ziehen werde, sondern wann.

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„Willkürlicher Schritt zieht klare europäische Antwort nach sich“

Deshalb bereitet sich längst auch die EU auf den Notfall vor. Am Mittwoch hatte Sefcovic EU-Diplomaten in Brüssel über den Stand der Verhandlungen informiert. Ein EU-Diplomat sagte der Deutschen Presse-Agentur, man sei sich einig, „dass ein solch willkürlicher und ungerechtfertigter Schritt des Vereinigten Königreichs eine klare europäische Antwort nach sich ziehen wird“.

Wie genau diese „klare europäische Antwort“ aussehen wird, ist aber nicht bekannt. Zudem sieht das Nordirland-Protokoll ebenfalls keine konkreten Maßnahmen vor, es ist lediglich von „Schutzmaßnahmen“ die Rede, sollte es wegen der Abmachung schwerwiegende soziale, wirtschaftliche oder ökologische Schwierigkeiten geben. Also ist noch nicht klar, was es genau bedeutet, sollte London Artikel 16 auslösen. Doch selbst wenn Großbritannien das Abkommen teilweise außer Kraft setzen sollte, würde dies keine sofortigen Änderungen bedeuten.

Anhang sieben des Protokolls sieht Fristen vor. Demnach dürfen für einen Monat, nachdem der Artikel 16 ausgelöst wurde, keine Maßnahmen ergriffen werden. Es sei denn, beide Seiten einigen sich darauf. Als mögliche Reaktion auf Maßnahmen aus London wird in Brüssel darüber spekuliert, dass die EU das Brexit-Handelsabkommen zumindest teilweise aussetzen könnte. Doch auch hier wären Fristen vorgesehen. Diese reichen von 30 Tagen bis zu zwölf Monaten. Kommenden Freitag treffen sich Frost und Sefcovic in Brüssel zu ihrer nächsten Verhandlungsrunde.

RND/dpa

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