Bundesfreiwilligendienst wird kaum kontrolliert
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Junger Mann im Bundesfreiwilligendienst kümmert sich um eine Dialysepatientin im Rollstuhl.Katrin Werner
© Quelle: Jan Woitas/dpa
Berlin. Der 2011 in Deutschland eingeführte Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) soll laut Gesetz keine regulären Jobs verdrängen oder verhindern. Ob die sogenannte Arbeitsmarktneutralität jedoch wirklich überall gewährleistet ist, darüber fehlt der Bundesregierung offenbar der Überblick. Das geht jedenfalls aus der Antwort des Bundesfamilienministeriums von Franziska Giffey (SPD) auf eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion hervor.
Laut Ministerium gibt es in Deutschland gegenwärtig 72.695 durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) anerkannte Organisationen, Institute oder Vereine, die insgesamt 249.453 Bufdi-Plätze bereithalten. Für sie gilt, dass die Arbeitsmarktneutralität gewährleistet ist, wenn „die Arbeiten ohne die Freiwilligen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden oder auf dem Arbeitsmarkt keine Nachfrage besteht“, heißt es in einer entsprechenden Richtlinie des Ministeriums. Die Einrichtungen, die Bufdi-Plätze anbieten, müssen deren Arbeitsmarktneutralität erklären. Im Zweifel werden Personalvertretungen gefragt.
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Die Juli-Zahlen des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zum Bundesfreiwilligendienst.
© Quelle: BAFzA
Nur 20 Prüfer bundesweit
Fraglich ist allerdings, ob das Amt dazu überhaupt in der Lage ist. Derzeit gibt es nur 20 Frauen und Männer, die bundesweit die Arbeitsmarktneutralität der Bufdi-Jobs prüfen, schreibt Giffeys Parlamentarischer Staatssekretär Stefan Zierke (SPD) in seiner Antwort auf die Anfrage. Ihre Zuständigkeitsbereiche würden sich auf mehrere Bundesländer erstrecken. Jeder Prüfer ist somit rechnerisch für 3635 Einsatzstellen und durchschnittlich 12.473 Bufdi-Plätze zuständig.
Ist das zu schaffen? Seit Juli 2013 seien bis Ende März dieses Jahres 3524 Routineüberprüfungen erfolgt, schreibt Zierke. Dabei sei es „neben der Arbeitsmarktneutralität auch um die Abführung von Sozialabgaben, Einhaltung der Urlaubstage, Taschengeldbezüge oder die Gemeinwohlorientiertheit“ gegangen.
Über Widerrufe keine statistischen Erhebungen
Ob es dabei zu Widerrufen der Anerkennung als Einsatzstelle für Bufdis gekommen ist, weiß das Ministerium nicht. Zierke: „Über die Anzahl der Widerrufe werden keine statistischen Erhebungen geführt.“ Das zuständige Familienministerium schätzt die derzeitigen Instrumente zur Prüfung im Bufdi-Bereich zwar als „ausreichend“ ein. Dringenden Personalbedarf meldet es aber trotzdem an. Es seien, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, „weitere Prüferinnen und Prüfer in Höhe von 14,0 Vollzeitäquivalenten erforderlich, um die vom Bundesrechnungshof vorgeschlagene Prüfquote erfüllen zu können“.
Linke: Freiwilligendienst darf kein grauer Arbeitsmarkt sein
Katrin Werner, in der Linke Fraktion Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement, sagt, dass die fehlende Kontrolle der Arbeitsmarktneutralität im Bundesfreiwilligendienst nicht hinnehmbar sei. „Es ist elementar für die Freiwilligendienste, dass diese keine regulären Stellen ersetzen oder die Schaffung neuer Stellen verhindern. Der Bundesfreiwilligendienst darf kein grauer Arbeitsmarkt sein.“
Mit Blick auf die Debatte über einen verpflichtenden Dienst sagte Werner, es sei dringend davon abzuraten, die Selbstbestimmung junger Menschen zu beschneiden. „Offenbar ist die Regierung bereits mit der Kontrolle des Bundesfreiwilligendienstes überfordert.“
Von Thoralf Cleven