Bundespräsidentenwahl: Trabert nutzt Kandidatur für Appell gegen Armut
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Gerhard Trabert, Sozialmediziner.
© Quelle: Andreas Arnold/dpa
Mainz. Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert ist kein Politiker. Aber im Engagement gegen Armut, Obdachlosigkeit und Flüchtlingselend trifft er oft auf politische Hürden. Und so steht der 65-Jährige nun eben doch auf der politischen Bühne.
Als Kandidat der Linken für das Amt des Bundespräsidenten sieht er selbst kaum Chancen gegen Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier, der von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU unterstützt wird. Doch Trabert will aufmerksam machen auf soziale Ungleichheit, eine bessere Gesundheitsversorgung für alle und den Vorrang für Menschenrechte vor der Abwehr von Flüchtlingen.
Politisch sieht sich Trabert eher links
„Beim zentralen Thema der sozialen Gerechtigkeit sehe ich mich am ehesten von der Linken verstanden“, sagt der Professor für Sozialmedizin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. So ließ er sich dazu bewegen, bei der Bundestagswahl im September 2021 als Direktkandidat der Linken in Mainz anzutreten. Seine 12,7 Prozent wurden in der Partei als bestes Erststimmenergebnis im Westen gefeiert. „Persönlich war ich aber enttäuscht“, sagt Trabert.
Bundesweit hat der Rückhalt für die Linke zuletzt deutlich abgenommen. Die Bundesvorsitzende Janine Wissler sieht in dem Wahlergebnis für Trabert aber einen Weg, um neue Wählergruppen zu erreichen. Wissler habe ihn angesprochen, ob er zu einer Kandidatur für das höchste Staatsamt bereit sei, sagt Trabert. Eigentlich finde er, dass es höchste Zeit sei für eine erste Bundespräsidentin. Aber er sehe es als seine Pflicht an, das Thema der sozialen Ungleichheit auch „auf diesem ganz anderen Level“ in die öffentliche Diskussion zu bringen. Er verstehe seine Bewerbung auch nicht als Gegenkandidatur zu Steinmeier.
Arzt und Philanthrop
Trabert ist vor Ort, wenn Menschen in Not sind - ob vor der Haustür bei Obdachlosen in Mainz, in Kriegen wie in Afghanistan oder Syrien, oder bei Naturkatastrophen wie dem Tsunami in Sri Lanka und dem Erdbeben in Haiti. Er beschreibt sachlich, was getan werden müsste, um Flüchtlingen auf Lesbos zu helfen, wie ein Arzt bei einer Diagnose. Aber Traberts Augen fangen an zu blitzen, wenn er von Bürokraten spricht, die ihm Hilfe verwehren, von Politikern, die sich die Lebensrealität unter Hartz-IV-Bedingungen nicht vorstellen könnten. Seit Wochen drängt er die deutsche Botschaft in Äthiopien zu einem Ausreisevisum für eine Frau in der Konfliktregion Tigray, deren Mann in Mainz lebt.
Für seine Arbeit hat Trabert Preise bekommen, zuletzt die Auszeichnung als „Hochschullehrer des Jahres“ vom Deutschen Hochschulverband. Woher schöpft der vierfache Vater seine Kraft? „Im Team machen wir uns gegenseitig Mut, wenn wir wütend, verzweifelt oder melancholisch sind“, sagt Trabert mit Blick auf den von ihm gegründeten Verein Armut und Gesundheit in Deutschland. Geprägt habe ihn die Bergpredigt im Neuen Testament mit ihrer radikalen Nächstenliebe, auch wenn er sich heute von den Kirchen wesentlich mehr Klarheit und Engagement wünsche.
Von der Kindheit geprägt
Die Begegnung mit Menschen in Not, das Bewusstsein für ihre „Gleichwürdigkeit“ hat Trabert schon als kleiner Junge erfahren. Er lebte in einem Waisenhaus in Mainz, wo sein Vater erst Hausmeister, dann Erzieher war. „Alle meine Spielkameraden hatten keine Eltern mehr und in der Schule wurden sie meistens schlechter behandelt“, erinnert er sich. „Ich fand das ungerecht, dass es mir so gut geht und ihnen so schlecht, und ich konnte als Kind nichts dagegen tun. Da habe ich mir gesagt: Als Erwachsener lasse ich Ungerechtigkeit nicht mehr zu.“
RND/ dpa