Bundeswehr der Zukunft: Geld, Waffen und endlich Anerkennung
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Mecklenburg-Vorpommern, Torgelow: Bundeswehrsoldaten sammeln sich an der Greifenkaserne auf dem Truppenübungsplatz Jägerbrück.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
Berlin. In den vergangenen Jahren hat sich die Formulierung eingebürgert, nach dem Ereignis x oder dem Zwischenfall y sei nichts mehr, wie es war. Meist stellten sich derlei Feststellungen dann als voreilig heraus. Letzteres wird sich auch mit wachsendem Abstand zum russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 nicht behaupten lassen. Der Tag verändert die Nachkriegsordnung nachhaltig – und damit das Verhältnis von Politik und Militär. Das wird in erster Linie die Bundeswehr spüren.
Ja, die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist derzeit so unnötig wie ein Kropf. Das weiß auch die kluge Wehrbeauftragte Eva Högl, die jetzt ihren Jahresbericht vorlegte. Die Debatte darüber ist wie stets reflexhaft und schnell vorüber. Für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sind keine politischen Mehrheiten in Sicht.
Wehrgerechtigkeit wäre wie schon vor Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 kaum herstellbar. Schließlich könnte die Bundeswehr die vielen jungen Männer gar nicht gebrauchen – anders als der zivile Arbeitsmarkt, auf dem längst ein harter Wettbewerb um den Nachwuchs herrscht. Die Truppe benötigt Klasse, nicht Masse.
Wehrbeauftragte Högl: Geld für Bundeswehr muss zügig ankommen
Angesichts der aktuellen Lage brauche die Bundeswehr die besten Rahmenbedingungen, sagte die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Eva Högl.
© Quelle: Reuters
Verändern muss sich hingegen neben der Ausrüstung das, was neudeutsch „Mindset“ heißt – also das Bewusstsein, mit dem die Gesellschaft im Allgemeinen und die Streitkräfte im Besonderen auf das Militärische blicken. Plötzlich wird es vom lästigen Beiwerk zur Überlebensnotwendigkeit, die jeder Frau und jedem Mann unmittelbar einleuchtet. Das wird sich tief einbrennen in Köpfe und Herzen von über 80 Millionen Menschen.
Eine breit angelegte Militarisierung steht nicht zu befürchten. Die Deutschen sind nach dem von ihnen verursachten Zweiten Weltkrieg ein durchweg friedliebendes Volk geworden. Der Erwartung unserer Nachbarn und Freunde, international mehr Verantwortung zu übernehmen, kamen Wähler und Gewählte in den letzten Jahrzehnten nur widerwillig nach.
Der Streit über das Zweiprozentziel der Nato legt davon ebenso Zeugnis ab wie jener über die nukleare Teilhabe. Anlässlich des russischen Überfalls auf die Ukraine dürfte freilich auch dem Letzten klar geworden sein, dass uns und das westliche Bündnis am Ende niemand anderer verteidigen muss als wir selbst.
Neben gesellschaftlicher und politischer Unterstützung sowie besseren Waffen braucht die Bundeswehr ein Stück jenes Mutes, den uns viele wehrhafte Ukrainerinnen und Ukrainer sowie manche freiheitsliebende Russinnen und Russen gerade vorleben. Zuletzt galt es in Deutschland ja allen Ernstes als couragiert, sich den Corona-Regeln zu widersetzen oder in einem digitalen Netzwerk einem Shitstorm standzuhalten. Nun haben wir vor Augen, was eine erbarmungslose Diktatur in einem Nachbarland anrichten kann. Sich dem entgegenzustellen und dabei Tod oder Haft in Kauf zu nehmen – das ist Mut. Alles andere ist lächerlich. Bestenfalls.