Corona-Krise: Eine Ost-West-Debatte ist jetzt fehl am Platz
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Das Zentrum von Rostock in der vorigen Woche: nahezu menschenleer.
© Quelle: imago images/BildFunkMV
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident hat ein Interview gegeben. Darin sagt Reiner Haseloff, dass die Ostdeutschen besser mit der Corona-Krise klarkämen als die Westdeutschen. Dies mag auf den ersten Blick stimmen. Denn die Erfahrung der Friedlichen Revolution und der folgenden Transformation war bereits fundamental. Abgesehen davon halten die Äußerungen des CDU-Politikers einer Prüfung jedoch nicht stand.
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Schließlich wurde die Krisenresistenz der Ostdeutschen im Zuge der Flüchtlingskrise allgemein in Zweifel gezogen – auch von Haseloff. Der sagt überdies, es gebe im Osten weniger Verstöße gegen die Kontaktbeschränkungen als im Westen. Nur: Belege fehlen. Die Behauptung, staatliche Autoritäten würden in der ehemaligen DDR eher akzeptiert, ist ebenfalls fragwürdig. Die seit 2015 stattfindende Revolte von rechts außen, sichtbar in den Wahlerfolgen der AfD, legt einen gegenteiligen Schluss nahe: dass viele Ostdeutsche diesen Staat ablehnen.
Viktor Orbán empfangen
Tatsächlich ist Haseloffs These gefährlich. Denn er verweist zwar darauf, dass die Individualrechte in Westdeutschland aus gutem Grund stets hochgehalten worden seien, gewinnt der autoritären DDR-Prägung gleichzeitig aber Positives ab. Das geschieht in einer Zeit, in der die Freiheit unter die Räder kommt wie nie seit 1945 – und Regenten wie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán daraus gezielt Kapital schlagen, jener Orbán, den Haseloff 2017 in Wittenberg empfing. Wem nützt es, die Flammen weiter anzufachen? Was überhaupt bringt eine Ost-West-Debatte, wenn in erster Linie eines gefragt ist: Zusammenhalt.
Haseloff, der 1976 in die Ost-CDU eintrat, ist persönlich integer und ein im Allgemeinen konstruktiver Arbeiter im Weinberg der Demokratie. Doch leider irrlichtert er zu oft und gibt den Freiheitsfeinden zu oft nach. Das jüngste Interview zeigt es wieder.