Coronakrise: Union will langfristig Menschen über ihr Handy orten können
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Mithilfe von Smartphones lässt sich grundsätzlich feststellen, wo sich deren Besitzer aufhalten.
© Quelle: Christin Klose/dpa-tmn
Berlin. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Armin Schuster will noch nicht aufgeben. “Ich gucke in der Corona-Krise jetzt stark nach Asien”, sagte er am Dienstag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Da beeindrucken mich die mittlerweile sehr flachen Kurven bei den Neuinfektionen. Offenbar werden in Südkorea und Taiwan mit diesem Handy-Tracking gute Erfolge erzielt. Deshalb bleibt das auch in Deutschland auf der Tagesordnung.” Ähnlich hatte sich zuvor Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geäußert.
Die Debatte über das Tracking – die Bestimmung des Aufenthaltsorts einer Person mittels seines Smartphones – zur Bekämpfung der Corona-Krise ist noch nicht beendet.
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Schon vor einigen Tagen stellte die Deutsche Telekom dem Robert-Koch-Institut anonymisierte Handydaten zur Verfügung. Anhand von Bewegungsprofilen möchte das Institut unter anderem prüfen, ob Menschen sich an bestimmte Einschränkungen ihres Bewegungsradius halten.
Spahn wollte bei der Reform des Infektionsschutzgesetzes weiter gehen und Gesundheitsämtern die Ortung von Handys samt ihrer Besitzer ermöglichen. Er verwies auf Südkorea, wo die Seuche trotz der Nähe zum Ausbruchsland China wie in Taiwan recht mild verläuft. Dies habe auch damit zu tun, dass die Behörden dort wüssten, wer mit wem Kontakt gehabt habe, so der CDU-Politiker.
Nachdem unter anderem Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wegen rechtsstaatlicher Bedenken Widerspruch eingelegt hatte, wurde der Passus gestrichen. Weg ist das Thema aber nicht. Denn während FDP und Linke strikt Nein sagen, zeigen sich die Grünen flexibler. Fraktionsvize Konstantin von Notz plädiert für die freiwillige Installierung entsprechender Apps. Auch müssten Daten strikt zweckgebunden sein und in jedem Fall wieder gelöscht werden. Unabhängig davon gibt es beim Tracking drei offene Punkte.
Technische Probleme
Der erste Punkt ist technisch. Markus Beckedahl, Gründer der Plattform Netzpolitik.org, sagt, die von Spahn favorisierten Funkzellenabfragen seien “sehr ungenau”. Eine Funkzelle könne mehrere hundert Menschen umfassen. Es sei daher gar nicht so ohne Weiteres möglich, nachzuvollziehen, wer mit wem Kontakt gehabt habe. Der Plan bringe mithin nichts.
Rechtsstaatliche Probleme
Der zweite Punkt betrifft den Rechtsstaat. Nachdem in der Krise schon die Bewegungsfreiheit oder die Gewerbefreiheit beschnitten worden sind, würde mit einem personalisierten Tracking das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschleift. Dass ein Staat stets genau weiß, wo seine Bürger sind, ist für Anhänger des Grundgesetzes eine Horrorvorstellung.
Praktische Probleme
Der dritte Punkt ist praktischer Natur. Tracking würde wohl nur bei geringen Fallzahlen helfen – wenn es also bloß wenige Infizierte gäbe, deren Kontaktpersonen man umgehend testen oder in Quarantäne schicken könnte. Doch im Augenblick sind die Infektionszahlen in Deutschland hoch. Markus Beckedahl von Netzpolitik.org weist überdies daraufhin, dass sich viele Menschen ja längst freiwillig in Quarantäne begäben und Tests zumindest in Berlin kaum vorhanden seien.
Trotzdem wird das Für und Wider anhalten. Den rechtsstaatlichen Kollateralschäden des Trackings stehen nämlich die wirtschaftlichen und sozialen Kollateralschäden eines länger andauernden Shutdowns gegenüber. CDU-Innenexperte Armin Schuster sagt: “Wir können das Land nicht über Monate komplett lahmlegen.” Es gehe deshalb darum, “den Nutzen von Tracking zu belegen”. Wenn das gelungen sei, müsse man “das Thema nochmal anfassen” – und sei es für die nächste Viruskrise.