Coronavirus: So wird Firmen und Mitarbeitern geholfen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, aufgenommen während einer Pressekonferenz zum Thema Corona und wirtschaftlichen Auswirkungen in der Bundespressekonferenz in Berlin.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, aufgenommen während einer Pressekonferenz zum Thema Corona und wirtschaftlichen Auswirkungen in der Bundespressekonferenz in Berlin.

Berlin. Ein Land igelt sich ein. Der Satz der Kanzlerin vom Vorabend klingt noch nach. In den kommenden Wochen und Monaten gelte es, so hatte es Angela Merkel formuliert, alle Sozialkontakte auf das Nötigste zu reduzieren. Am Tag danach fragt sich das Land: Was folgt denn nun daraus? Schnelle Antworten werden erwartet – nicht nur von der Kanzlerin.

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Aus den Berliner Politikern sind Krisenmanager geworden, aus der Bundesagentur für Arbeit wird die Bundesagentur für Kurzarbeit. Unternehmen, Verwaltungen, Schulen, die Deutsche Bahn – alle schalten in einen Modus, der mit dem vertrauten Alltag nichts zu hat.

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Für den Moment sorgt die Coronakrise im Berliner Regierungsviertel für konzentrierte Betriebsamkeit. Spätestens zum Wochenanfang aber wird die Republik einen Gang herunterschalten. Das öffentliche Leben wird, wie es der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weil am Freitag fast poetisch ausdrückte, “heruntergedimmt”.

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Nur: Gemütlich wird es nicht. Merkels Minister betonten noch einmal, dass nun das Notwendige getan werde, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie wenigstens im eigenen Land so weit wie möglich in Schach zu halten. Nach dem “Schutzschirm für Arbeitsplätze”, der innerhalb weniger Stunden in beiden Parlamentskammern beschlossenen Ausweitung der Kurzarbeit, wird nun auch noch ein “Sicherheitsnetz für die Wirtschaft” vorgestellt.

“Das ist jetzt die Bazooka, was wir tun. Was wir an Kleinwaffen brauchen, sehen wir später”, sagt Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu dem milliardenschweren Hilfspaket. “An fehlendem Geld soll es nicht scheitern”, sekundiert Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

“Im Moment sind wir alle Italiener”, sagt fast zeitgleich in Brüssel EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an das besonders hart getroffene EU-Mitgliedsland gerichtet. “Jetzt holen wir tief Luft und nutzen alles.”

Es geht um nicht weniger als Überlebenshilfe für ein Wirtschaftssystem am Rande des Kollapses.

Aber welche Hilfen sind in Berlin und Brüssel beschlossen, und wer bekommt sie? Ein Überblick:

Steuersenkungen

Die große Koalition hat sich nicht auf eine Senkung von Steuern geeinigt. Scholz und Altmaier kündigten aber an, auf Sicht fahren zu wollen und zu prüfen, ob irgendwann ein klassisches Konjunkturprogramm – dazu gehört traditionell eine Entlastung von Unternehmen und Konsumenten – notwendig wird. Scholz verwies unter anderem auf die Einschätzung von Ökonomen, wonach Steuersenkungen in der derzeitigen Lage kontraproduktiv sein könnten. Schließlich wolle man nicht, dass die Bevölkerung einen Anreiz bekommt, ihr Geld für den “sozialen Konsum” – also zum Beispiel für einen Restaurantbesuch – auszugeben. Gleichwohl warb der Finanzminister erneut dafür, die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags auf den Sommer vorzuziehen.

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Staatshaushalt

Das Ziel der schwarzen Null, also eines schuldenfreien Haushalts, wurde aufgegeben. Die Kredite der KfW kosten den Staat zwar zunächst nichts, weil sich der Bund das Geld zum Nulltarif an den Finanzmärkten besorgen kann. Scholz rechnet aber damit, dass Unternehmen Darlehen nicht zurückzahlen können, weil sie durch die Krise zahlungsunfähig werden. Es sei “nicht realistisch, davon auszugehen, dass da alles gutgeht”, sagte er. Auf diesen Ausfällen bleibt der Bund dann sitzen. Bricht die Konjunktur wie erwartet ein, verliert der Staat zudem Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Es kann zudem sein, dass der Bund die Bundesagentur für Arbeit unterstützen muss, wenn deren Rücklagen durch das kostspielige Kurzarbeitergeld aufgebraucht sind. Auch die gesetzliche Krankenversicherung braucht eventuell mehr Geld.

Kurzarbeit

Bereits in der Finanzkrise 2008/2009 hat Kurzarbeit dabei geholfen, Jobs zu retten. Statt Arbeitsplätze abzubauen, wird die Arbeitszeit vorübergehend ganz oder teilweise reduziert. Das Kurzarbeitergeld ersetzt bis zu 67 Prozent des ausfallenden Lohns. Gezahlt wird es jedoch nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, nicht aber Freiberuflern oder Crowd­workern. Das neue Gesetz ermöglicht es Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die Hürden für Kurzarbeit befristet bis Ende 2021 zu senken. Sie soll künftig bereits möglich sein, wenn es um einen konkreten Arbeitsausfall bei 10 Prozent der Beschäftigten geht.

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Bisher muss mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein. Arbeitgeber sollen die Sozialversicherungsbeiträge, die auch bei Kurzarbeit fällig werden, zurückerhalten. Die neuen Regelungen sollen auch für Leiharbeiter greifen. Zur Detailumsetzung bedarf es noch einer Verordnung des Arbeitsministeriums. Ziel ist es, dass die neue Regelung ab spätestens Anfang April genutzt werden kann.

Liquiditätshilfen

Damit klamme Unternehmen nicht noch zusätzlich durch Steuerzahlungen belastet werden, können diese auf Antrag zinsfrei gestundet werden. Die Unternehmen müssen lediglich eine “erhebliche Härte” geltend machen. Die Finanzämter sind angewiesen, bei der Überprüfung “keine strengen Anforderungen” zu stellen. Vorauszahlungen können unkompliziert und schnell herabgesetzt werden, wenn die Einkünfte im laufenden Jahr eingebrochen sind.

Die Finanzämter verzichten außerdem zunächst bis Ende 2020 auf Vollstreckungen, also zum Beispiel auf Kontopfändungen. Auch Säumniszuschläge werden bis dahin nicht fällig. Die Erleichterungen gelten nicht nur für die Einkommens- und die Körperschaftssteuer, sondern auch für die Umsatzsteuer sowie für die Energie- und Versicherungssteuer, kommen also auch Freiberuflern und Selbstständigen zugute.

Kredite/Bürgschaften

Die Regierung stellt über ihre Förderbank KfW unbegrenzt Kredite zur Verfügung. Derzeit können Darlehen im Umfang von 460 Milliarden Euro ausgereicht werden. Die Kreditlinie soll zunächst um bis zu 93 Milliarden Euro erhöht werden. Reicht das Geld nicht, wird immer wieder nachgelegt. Verbessert werden zum einen die Konditionen vorhandener KfW-Programme. Zum anderen legt die KfW völlig neue Kreditprogramme auf, etwa für Unternehmen mit einem sehr hohen Ausfallrisiko. Für sie gibt es bisher keine geeigneten Angebote. Erweitert werden außerdem die Bürgschaftsprogramme. Alle KfW-Angebote werden wie bisher über die Hausbanken abgewickelt. Derzeit sind für derartige Kredite Zinsen von rund einem Prozent fällig.

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Verkehr

Zunächst fährt die Bahn weiter. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) rief allerdings dazu auf, “private Reisen auf das absolut Notwendige zu reduzieren”. Private Reisen sollten sich möglichst wenig mit Dienstreisen überlappen, um die Hauptverkehrszeiten zu entzerren. Bahnchef Richard Lutz erklärte, der Bahnbetrieb solle so lange und so gut wie möglich aufrechterhalten werden. Allerdings habe man Verständnis, wenn Kunden ihre Reisepläne noch einmal überdenken wollten. Die Bahn bietet daher “Sonderkulanz-Regelungen“ an.

Kunden, die wegen Corona ihre Reise nicht mehr antreten möchten, könnten ab Anfang kommender Woche bis Ende April ihre gebuchten Tickets kostenfrei in einen Reisegutschein umwandeln lassen. Das gilt auch für alle Supersparpreise und Sparpreise. Wer einen Flexpreis gebucht hat, kann unabhängig von den aktuellen Sonderkulanzen ihre Fahrkarten kostenlos stornieren. Und es gibt noch eine andere Option: Wer sein Ticket weder stornieren noch umtauschen mag, kann es auch zu einem späteren Zeitpunkt bis einschließlich Ende Juni nutzen. Bei Sparpreisen entfällt die Zugbindung. Die Bahn, betonte Scheuer, bleibe in der Krise enorm wichtig für das Funktionieren der Republik – auch zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern.

Stabilitätspakt

Die EU-Kommission hat angekündigt, die europäischen Schuldenregeln auszusetzen, sollte sich die Wirtschaftskrise weiter verschlimmern. Das sei allerdings nur für den äußersten Notfall vorgesehen, teilte die Kommission mit. Der Stabilitätspakt werde derzeit noch nicht ausgesetzt, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis. Es würden vielmehr alle Spielräume ausgenutzt, die der Pakt biete. Das sei in der Vergangenheit nicht vollständig geschehen. Davon dürfte zunächst Italien profitieren.

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Die Wirtschaft des Landes leidet derzeit nicht nur an den Folgen des Virusausbruchs. Seit Jahren schon läuft Italien immer wieder Gefahr, die Jahresobergrenze einer dreiprozentigen Neuverschuldung zu reißen. Staatliche Ausgaben für den Kampf gegen die Pandemie sollen künftig nicht mehr auf die Schulden angerechnet werden. Man werde tun, was immer nötig sei, um die Krise zu bewältigen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Sicherheitsgarantien

Eine Milliarde Euro will die Kommission aus dem EU-Haushalt verwenden, um damit über Sicherheitsgarantien insgesamt 8 Milliarden Euro zu mobilisieren. Das Geld soll Unternehmen helfen, die wegen der Coronakrise in Liquiditätsnöte geraten. Insgesamt sollen davon mindestens 100.000 kleine und mittlere Unternehmen in der EU profitieren. Zudem schlug die Kommission vor, dass die Mitgliedsstaaten insgesamt 37 Milliarden Euro aus den EU-Strukturfonds umleiten und für den Kampf gegen das Virus verwenden. Die EU-Kommission rechnet damit, dass die Wirtschaft in der Union trotz dieser Hilfen in die Rezession rutschen wird.


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