Daumen runter: Kritik an kostspieliger Videokampagne der Bundesregierung für Pflegeberufe

Boris alias Danilo Kamperidis in einer Szene der Miniserie „Ehrenpflegas“.

Boris alias Danilo Kamperidis in einer Szene der Miniserie „Ehrenpflegas“.

Berlin. Genau 697.000 Euro plus Umsatzsteuer – mithin also 808.520 Euro – hat sich das Ministerium die fünfteilige Miniserie kosten lassen. Das geht aus seiner Antwort auf eine Anfrage der Linken hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Die erste Folge wurde auf dem Youtube-Kanal des Ministeriums seit dem 12. Oktober eine Million Mal aufgerufen und erhielt 13.121 „Daumen runter“, lediglich 1673 Nutzer vergaben einen „Daumen hoch“. Mehr über die Ansichten der Nutzer ist auf dem Kanal nicht zu erfahren, da die Kommentarfunktion abgeschaltet wurde.

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„Ehrenpflegas“ sollen jung und zielgruppengerecht rüberkommen

„Ich gehe erste Klasse. Erste Klasse Pflegeschule“, sagt Boris (gespielt von Danilo Kamperidis) in gewolltem Slang gleich zu Beginn der ersten Folge. Wenig später trifft er auf seinen Jugendschwarm Miray (Lisa Vicari) und Klassenkameradin Katrin (Lena Klenke), die ob ihrer Brille und ihres Fleißes nur „Harry Potter“ genannt wird. Was jung und zielgruppengerecht rüberkommen soll, schreckt bereits in den ersten Sekunden viele User ab. So sehen es Berufsverbände, Politiker und etliche Pflegekräfte.

Mit diesem Plakat wird für die Serie geworben: Lisa Vicari (links), Danilo Kamperidis und Lena Klenke sind die Hauptdarsteller.

Mit diesem Plakat wird für die Serie geworben: Lisa Vicari (links), Danilo Kamperidis und Lena Klenke sind die Hauptdarsteller.

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Auf den Petitionsportalen change.org und Open Petition sind seit dem 12. Oktober mehr als 16.000 respektive 10.000 Stimmen eingegangen, die eine Einstellung der Kampagne fordern. Auf Open Petition heißt es, die Serie sei in ihrer „komödiantischen Art und Weise absolut niveaulos umgesetzt“ und damit „eine offene Beleidigung“ für alle Pfleger.

Berufsverband distanziert sich von der Serie

Ähnlich sieht das der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK): „Die Darstellung der Anforderungen an Pflegefachpersonen in der Miniserie ‚Ehrenpflegas‘ verletzt Selbstverständnis, Ethos und Pflegefachlichkeit der Berufsgruppe.“ Man distanziere sich ausdrücklich von dem Eindruck, bei Pflegeberufen handele es sich um ein Auffangbecken für perspektivlose Menschen.

„Die Filme schaden mehr, als dass sie nützen. So werden wir keine neuen Fachkräfte gewinnen, die wir aber dringend brauchen. Ich verstehe und teile die Entrüstung der Pflegerinnen und Pfleger“, sagt Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Linken, dem RND.

Trotz der hohen Kosten versage die Serie völlig dabei, jungen Menschen eine Vorstellung von den fachlichen und körperlichen Herausforderungen des Pflegeberufs zu vermitteln. „Was mich aber besonders ärgert, ist, dass die Figur Boris, die in die Altenpflege möchte, als geistig minderbemittelter Faulpelz dargestellt wird. Empörende Botschaft: Altenpflege kann jeder und jede“, so Zimmermann.

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Familienministerium verteidigt Format

Eine entsprechende Kritik äußern Pflegekräfte auch selbst im „Reality Check“, der auf dem Youtube-Kanal des Familienministeriums hochgeladen wurde. „Die Serie zeigt überhaupt nichts aus dem praktischen Alltag und mit wie viel Verantwortung die Aufgaben verbunden sind“, sagt ein Pfleger über die Kampagne, die für die in diesem Jahr eingeführte generalistische Pflegeausbildung werben soll.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bei der Premiere der Serie im Delphi-Filmpalast am 12. Oktober.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bei der Premiere der Serie im Delphi-Filmpalast am 12. Oktober.

Das Bundesfamilienministerium reagiert gelassen: „Nicht jedes Format überzeugt in jeder Zielgruppe – das muss es auch nicht zwingend“, sagte eine Sprecherin dem RND. Die hohen Zugriffszahlen bewiesen das große Interesse an dem Format. Ziel sei, Jugendliche auf unkonventionelle Weise anzusprechen, und nicht, den Alltag in der Pflege abzubilden. Dafür gebe es andere Formate der Ministeriumskampagne „Mach Karriere als Mensch!“. Eine Fortsetzung der umstrittenen Serie sei ohnehin nicht geplant.



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