Debakel von Erfurt: Lindner fehlt der politische Kompass

Christian Lindner gibt in Erfurt ein Statement ab, nachdem er mit dem dortigen FDP-Chef Thomas Kemmerich gesprochen hat.

Christian Lindner gibt in Erfurt ein Statement ab, nachdem er mit dem dortigen FDP-Chef Thomas Kemmerich gesprochen hat.

Berlin. Hätten Hans-Dietrich Genscher oder Walter Scheel das zugelassen? Hätten diese beiden FDP-Vorsitzenden es einfach so laufen lassen, wenn ein FDP-Politiker sich im Landtag für ein Ministerpräsidentenamt beworben hätte – trotz der erkennbaren Gefahr, dass der Kandidat mit Stimmen von Rechtsextremen gewählt wird? Hätten sie hinterher auch noch die anderen Parteien aufgerufen, mit einem solchen Ministerpräsidenten zusammenarbeiten?

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Der aktuelle FDP-Chef Christian Lindner hat in Thüringen den Tabubruch mit ermöglicht – und er hat damit sich selbst und die FDP schwer beschädigt, auch wenn er zum Schluss die Notbremse gezogen hat. Es ist richtig, dass Thomas Kemmerich nach 24 Stunden seinen Rücktritt vom Amt des Thüringer Ministerpräsidenten angekündigt hat. Er war ein Ministerpräsident von Gnaden Björn Höckes und der AfD. Dazu aber hätte es nie kommen dürfen.

Ein Mangel an Führungsqualitäten

Wegen seiner glänzenden Rhetorik gilt Lindner seit Jahren als politisches Talent. Doch jetzt zeigt sich, dass es ihm an politischem Instinkt und auch an Führungsqualitäten mangelt. Ein guter Vorsitzender erkennt existenzielle Probleme vorher. Spätestens direkt nach der Wahl Kemmerichs mit Stimmen der Rechtsextremen hätte Lindner der Sache ein Ende bereiten müssen. Notfalls durch massive öffentliche Konfrontation. Das wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass Lindner einen funktionierenden inneren Kompass hat.

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Gerade für eine kleine Partei wie die FDP ist die Glaubwürdigkeit überlebenswichtig. Doch Lindner verwies darauf, die Thüringer Landespartei handle eigenständig – als hätte ein Bundesvorsitzender in Grundsatzfragen keine Gesamtverantwortung. Er betonte gar, die FDP könne nichts dafür, wenn die AfD sie unterstütze. Und er appellierte an Union, SPD und Grüne, einen Ministerpräsidenten Kemmerich im Parlament zu unterstützen – als hätte der nicht schon durch die Stimmen der AfD jegliche Legitimation verloren.

Das schmutzige Spiel der AfD

Nicht nur Lindner, auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer muss sich die Frage stellen lassen, wie gut sie ihre Partei im Griff hat. Doch die CDU-Chefin hat nach der Wahl Kemmerichs geradlinig agiert. Lindner dagegen musste erst noch auf Kurs gebracht werden. Allzu spät erkannte er das ganze Ausmaß des schmutzigen Spiels der AfD.

Der FDP-Chef steht, aus eigener Verantwortung, nach den Thüringer Ereignissen als der große Verlierer auf der Berliner Bühne. Lindner ist in den vergangenen zwei Tagen innerhalb der FDP unter Druck geraten wie noch nie, seit er Ende 2013 Parteichef geworden ist. Vorsitzende, die eine Vertrauensfrage stellen, haben ein Vertrauensproblem. Das Vertrauen in Lindner ist nicht nur in der FDP auf ein überschaubares Maß geschrumpft. Ein Zugpferd ist er nicht mehr.

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