Der Präsident und der Papst – im Fegefeuer der Rechtsgläubigen

Zu Besuch beim Papst: Joe Biden 2016 bei einer Audienz im Vatikan.

Zu Besuch beim Papst: Joe Biden 2016 bei einer Audienz im Vatikan.

Washington. Offiziell soll über die Klimakrise, die Corona-Pandemie und die Armut in der Welt gesprochen werden. Doch wenn an diesem Freitag Papst Franziskus und US-Präsident Joe Biden zu einem Treffen in Rom zusammenkommen, geht es unausgesprochen auch um die Zukunft der Kirche in Amerika, die sich wie die dortige Gesellschaft immer extremer polarisiert. Der Papst und der Präsident sind die beiden weltweit mächtigsten Katholiken. Sie teilen liberale Überzeugungen. Und sie sehen sich in den USA einer mächtigen gesellschaftspolitisch reaktionären Opposition gegenüber.

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Einen kleinen Vorgeschmack der aggressiven Stimmungsmache von rechts konnte man schon am Mittwoch bei der Pressekonferenz im Weißen Haus bekommen. „Wird Präsident Biden auch über die Menschenwürde der Ungeborenen reden?“, fragte da der Korrespondent von EWTN, des größten katholischen TV-Senders in Amerika, dessen bekanntester Moderator offen mit Donald Trump sympathisiert. Als Bidens Sprecherin zu einer einordnenden Antwort ausholte, fuhr ihr der Korrespondent scharf ins Wort: „Haben Sie ein Problem mit meiner Frage?“

Bischöfe wollen Biden die Kommunion verweigern

Der Streit über die Abtreibung spaltet die amerikanische Gesellschaft, und die von Missbrauchsfällen und Mitgliederschwund geschüttelte Amtskirche hat sich klar aufseiten der rigorosen Lebensschützer positioniert.

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Während ihre überwiegend konservativen Würdenträger über die außerehelichen Affären von Ex-Präsident Trump, dessen inhumane Flüchtlingspolitik und die Exekution der Todesstrafe das Mäntelchen des Schweigens ausbreiteten, haben sie den Katholiken Biden, der von Nonnen erzogen wurde, fast jeden Sonntag in die Kirche geht und oft einen Rosenkranz in seiner Tasche trägt, wegen dessen Unterstützung des verfassungsrechtlich garantierten Schwangerschaftsrechts zum Beelzebub erklärt und wollen ihn vom zentralen Sakrament der Kirche ausschließen.

Die Privataudienz des Papstes für Biden kommt zu einer hochbrisanten Zeit: In etwas mehr als zwei Wochen wollen die katholischen Bischöfe bei ihrer Versammlung in Baltimore darüber debattieren, ob Politikerinnen und Politikern wegen der Unterstützung des Rechts auf Abtreibung die Kommunion verweigert werden soll. Das würde auch den Präsidenten treffen.

Bei ihrem Treffen im Juni hatten die Würdenträger den Entwurf einer entsprechenden Erklärung mit 168 zu 55 Stimmen angenommen. „Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel“, hatte damals der erzkonservative Oberhirte von San Francisco, Salvatore Cordileone, gemahnt.

Die Kirchenbasis steht zum Präsidenten

Er schlug damit Warnungen des Vatikans vor einem solchen Schritt in den Wind. Kritiker sehen in dem Eucharistiebann einen Missbrauch des Sakraments als politische Waffe. Auch die Basis der amerikanischen Kirche steht nicht hinter dem Rechtskurs der von Opus-Dei-Mitglied José Gómez geleiteten Bischofskonferenz: Nach einer Umfrage des renommierten Pew-Meinungsforschungsinstituts fordern zwei Drittel der Katholikinnen und Katholiken, dass Biden während der Messe weiter die Hostie empfangen darf.

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Unter Demokraten liegt der Wert sogar bei 87 Prozent. Republikanische Gläubige – zu deren prominentesten Vertretern Trump-Anwalt Rudy Giuliani und Ex-Justizminister William Barr gehören – wollen den Präsidenten freilich zu 55 Prozent vom katholischen Abendmahl ausschließen.

Dass der Papst nun kurz vor der Bischofssynode den Präsidenten empfängt, ist ein klares Signal. Es ist das vierte Treffen der beiden Männer, doch das erste seit Bidens Amtsantritt. 2015 hatte er Franziskus als Vizepräsident bei dessen USA-Besuch begleitet. Damals spendete der Papst dem Politiker, dessen Sohn Beau kurz zuvor gestorben war, nach dessen Worten „mehr Trost, als er wohl selbst weiß“.

Im Oval Office steht ein Foto von einer Begegnung der beiden Katholiken, die ähnlich progressive Ansichten zu vielen gesellschaftlichen Fragen, beim Umweltschutz und in der Einwanderungspolitik teilen. Gleichwohl könnte der Papst nach Einschätzung von Experten seinen Gast drängen, mehr für die Verteilung von Corona-Impfstoff in ärmeren Ländern zu tun.

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