Dianne Feinstein – eine Ikone gerät ins Wanken
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Die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein (Demokraten) spricht am 24. Februar auf dem Parteitag in San Diego.
© Quelle: AP
Washington. Das Alter spielt in der amerikanischen Politik in der Regel keine allzu große Rolle. Der Präsident ist 71 Jahre alt, diverse Kongressmitglieder wurden in den 1930er Jahren geboren und die obersten Bundesrichter werden gar auf Lebenszeit ernannt. Da erstaunt es kaum einen Beobachter, dass Dianne Feinstein, die im Sommer ihren 85. Geburtstag feiert, erneut die Wiederwahl anstrebt – bei einer Amtszeit von immerhin sechs Jahren.
Doch ausgerechnet Feinstein, die bei den Demokraten eine ebenso herausgehobene Rolle spielt wie der, etwas, jüngere John McCain bei den Republikanern, verliert den Rückhalt im heimischen Wahlkreis. Kevin de León, Fraktionschef im kalifornischen Parlament, jagte ihr am Wochenende in San Diego die Mehrheit der Delegiertenstimmen ab. De León erhielt 54 Prozent, Feinstein nur 37 Prozent. Als geradezu demütigend muss Feinstein, die seit einem Vierteljahrhundert in Washington ihren Heimatbundesstaat im Kongress vertritt, die lautstarken Zwischenrufe während ihrer Bewerbungsrede empfunden haben: „Die Zeit ist vorbei“, „Die Zeit ist vorbei“ skandierten mehrere hundert Delegierte. Und als Feinstein auch noch ihre Redezeit um ein paar Minuten überzog, spielte die Parteitagsregie kurzerhand lautstarke Musik ein. Dass Feinstein diesen Fauxpas auch noch mit den Worten quittierte „Ich fürchte, meine Zeit ist vorbei“, wurde von ihren parteiinternen Gegnern genüsslich in den sozialen Medien ungezählte Male wiederholt.
Basis erwartet härteren Kurs gegen Republikaner
Die Niederlage kommt nicht von ungefähr: Die Delegierten fordern schon seit Monaten von ihren Parteioberen eine kompromisslose Linie. Angesichts der zahllosen Verordnungen, die das Weiße Haus unter Präsident Donald Trump erlässt, erwartet die Basis von ihren Volksvertretern ein noch stärkeres Gegensteuern. Vor allem in der Reform der Einwanderungsgesetze dürfe es keinen „Deal“ mit der Regierung geben.
Doch Feinstein, die in der Ära von George W. Bush für den Irak-Krieg gestimmt hatte, gilt eher als gemäßigte Demokratin, die mit dem linken Flügel im eigenen Lager wenig im Sinn hat. So bezeichnete sie Edward Snowden, der das massenhafte Ausspionieren befreundeter Staaten durch den Geheimdienst NSA öffentlich gemacht hatte, kurzerhand als „Verräter“.
Ihre langjährigen Anhänger sehen in Feinstein dagegen eine streitbare und einflussreiche Politikerin, die die Bürgerrechte hoch hält und für striktere Waffengesetze eintritt – wie gerade erst angesichts des Schulmassakers in Florida deutlich wurde. Feinstein selbst trug zwar jahrelang – verdeckt – eine Waffe zum Selbstschutz, hält es aber für eine schwere Fehlentwicklung, dass Kriegswaffen wie die halb automatischen Sturmgewehre AR-15 in den Vereinigten Staaten massenhaft und legal in Umlauf sind.
Kaliforniens Demokraten stehen vor Richtungsentscheidung
In den kommenden Monaten stehen die Demokraten in Kalifornien nun vor einer Grundsatzentscheidung: Schlagen sie mit de León einen betont linken Kurs ein – oder wählen sie einen Weg der Mitte, der auch Kompromisse mit den regierenden Republikanern einschließt. Feinstein will jedenfalls vorerst weiterkämpfen.
Um von der eigenen Partei ins Rennen geschickt zu werden, hätte ihr Mitbewerber 60 Prozent der Stimmen erhalten müssen. So aber bleiben beide Politiker vorerst am Start. Und da de León bisher über einen Wahlkampfetat in Höhe von nur etwa 500.000 Euro, Feinstein aber bereits über knapp zehn Millionen Euro verfügt, herrscht im Lager des Newcomers keine Hochstimmung.
Von Stefan Koch/RND