Die AfD nutzt den Bundestag als Bühne

Belächelt im Parlament, erfolgreich im Netz: Mehr als eine halbe Million Nutzer haben die Rede des AfD-Politikers Jürgen Pohl geklickt.

Belächelt im Parlament, erfolgreich im Netz: Mehr als eine halbe Million Nutzer haben die Rede des AfD-Politikers Jürgen Pohl geklickt.

Berlin. Jürgen Pohl hat nicht die klassische Statur eines Medienstars. Der AfD-Abgeordnete aus Thüringen ist eher klein, rundlich und mit einer imposanten Glatze ausgestattet. In der Welt der AfD-Anhänger ist der Arbeitsmarkt- und Sozialexperte dennoch ein Held. Mehr als eine halbe Million Menschen haben seine erste Bundestagsrede aufgerufen. „Wir als neue Volkspartei wollen uns um die kleinen Leute kümmern“, hatte Pohl gesagt, und die Abgeordneten der anderen Fraktionen waren in ungläubiges Lachen ausgebrochen. Die 92 Abgeordneten der AfD haben die Tradition der Fensterrede, die nicht fürs Parlament, sondern für das große Publikum gehalten wird, an die Bedingungen des Youtube- und Facebook-Zeitalters angepasst. Die anderen Fraktionen hätten vorgewarnt sein müssen, schließlich haben alle mit Experten aus den Landtagsfraktionen gesprochen – dennoch wirkten sie zunächst unpräpariert.

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„Da können Sie noch etwas lernen“

Unter anderem die Sozialdemokraten beraten jetzt, wie sie rhetorisch aufrüsten können – und wie man den Provokationen der AfD am besten Paroli bietet. In der vergangenen Woche haben sich vor allem CDU und Grüne damit hervorgetan, der AfD eigene, fulminante Fensterreden entgegenzuhalten. Der jüngste CDU-Abgeordnete etwa, Philipp Amthor, punktete zuletzt mit einer staubtrockenen Entgegnung. „Gerne gestatte ich eine Zwischenfrage. Da können Sie noch etwas lernen“, rief der 25-Jährige nach rechts außen. Zwischenfragen stellt die AfD besonders gerne. Abgeordnete der anderen Fraktionen berichten von Fragezetteln, die den AfDlern morgens ausgeteilt würden.

Besonders empfindlich reagierten sie auf direkte Attacken, etwa des Grünen Cem Özdemir: „Sie verachten alles, was unser Land ausmacht, was Deutschland groß gemacht hat!“, rief er. Solche Wutreden soll es aber nicht jede Woche geben. Am Freitag debattiert der Bundestag den AfD-Vorstoß, Deutsch als Landessprache ins Grundgesetz aufzunehmen. Hierzu würden die Fachpolitiker unaufgeregt Stellung nehmen, heißt es aus mehreren Fraktionen.

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Die AfD erzwang den Abbruch der Sitzung

Der Antrag ist gleich doppelt symbolisch für die Strategie der AfD im Bundestag. Er greift eine alte Forderung unter anderem des früheren CDU-Bundestagspräsidenten Norbert Lammert auf – und er wurde bereits 2016 von der AfD im Thüringer Landtag gestellt. Treibende Kraft war damals der Abgeordnete Stephan Brandner. Brandner ist inzwischen Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag. Auch diesmal kommt der Sprachen-Antrag von ihm.

Nach 16 Sitzungen steht fest: Die AfD hat die Tricks der parlamentarischen Arbeit schneller gelernt als von vielen erwartet. Aber auch die anderen Fraktionen lernen hinzu. Einmal erzwang die AfD den Abbruch der Sitzung, weil am späten Abend zu wenige Abgeordnete anwesend waren. Nun gilt für alle Abgeordneten die Weisung ihrer Fraktionsspitzen: Haltet euch in Bereitschaft. Egal, wie spät es wird.

Von Jan Sternberg

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