Die EU muss gerettet werden – in jedem Fall
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Auch in der Europäischen Union entscheidend: das liebe Geld.
© Quelle: imago images / Steinach
In der Union vollzieht sich gerade das, was man eine kopernikanische Wende nennen könnte. Einerseits. Andererseits kehren CDU und CSU aber auch nur zu jener Art von Europapolitik zurück, die den christdemokratischen Altkanzler Helmut Kohl lange auszeichnete – zu der Bereitschaft, auch mal aufs Ganze zu gehen. Wenn Unionsfraktionsvize Johann Wadephul jetzt sagt, die Europäische Union sei “eine politische und wirtschaftliche Union”, zu der “natürlich auch gemeinsame Schulden” und eine “Überwindung des Nationalstaates” gehörten, dann ist das jedenfalls ebenso bemerkenswert wie die Bereitschaft seines Parteifreundes Norbert Röttgen, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz aus der verwandten ÖVP des Egoismus zu zeihen. CDU und CSU haben den Ernst der Lage erkannt.
In der Finanzkrise vor über zehn Jahren war ja die Frage, ob die EU-Staaten gemeinsam Schulden machen sollten, in CDU und CSU heiß diskutiert und überwiegend mit Nein beantwortet worden. Im Schatten des Streits entstand die AfD, die seinerzeit noch von einem freundlich-naiven Professor namens Bernd Lucke geführt wurde.
Populisten allerorten
Heute hat sich der Populismus – überwiegend von rechts außen – tief ins Gemäuer der EU gefressen. Die Briten haben sich für den Brexit entschieden. In Spanien hat die rechtsradikale Partei Vox gerade landesweit gegen die spanische Linksregierung protestiert. In Italien lauert Matteo Salvini auf seine nächste Chance und in Frankreich Marine Le Pen. Alle drei letztgenannten Länder stehen ökonomisch enorm unter Druck. Und in allen drei Ländern wird dieser Druck im Zuge der Corona-Krise weiter wachsen. Dies ist nicht die Stunde der Kleinkrämer.
Sie ist es wirtschaftlich nicht, weil ein Auseinanderbrechen der EU auch Deutschland brutal schaden würde. 2017 gingen 58,6 Prozent der Exporte in andere EU-Staaten. Dabei sind Exporte bei einbrechender Binnenkonjunktur nun noch wichtiger als ohnehin schon. Politisch haben die Demokraten zuletzt Boden gutgemacht – in Italien, in Österreich, auch in Deutschland mit einer aktuell schwächer werdenden AfD. Aber das sind alles lediglich Etappen.
Wer sich nicht in Gefahr begibt
Deutschland kann auf dem bisher hoch gehaltenen EU-Prinzip „No bailout“ (keine Schuldenübernahme für Mitgliedsstaaten) nicht um jeden Preis bestehen und nicht, wie Röttgen richtig sagt, hoch verschuldeten Ländern weitere Schulden aufdrängen. Es muss die EU retten, so oder so. Dass gerade führende Unionisten massiv dafür werben, zeigt: CDU und CSU wissen, was auf dem Spiel steht und dass es auf sie ankommt – in Deutschland, auf dem Kontinent.
Manche werden trotzdem vor einer Schuldenunion warnen und sagen: „Wer sich in Gefahr begibt, der kommt drin um.“ Mehr noch als dieser Satz gilt derzeit aber dessen Umkehrung. Sie stammt von Wolf Biermann, einem Anhänger Angela Merkels, und lautet: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um.“
RND