Die EU schaut der Eskalation im Osten hilflos zu
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Ein ukrainischer Marinesoldat (rechts) wird von einem Offizier des russischen Nachrichtendienstes FSB in Simferopol auf der Krim zu einem Gerichtssaal gebracht.
© Quelle: dpa
Berlin. Seit 20 Minuten spricht Ursula von der Leyen an diesem Dienstagmorgen von der Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik. In einem vollbesetzten Konferenzsaal ermuntert die Verteidigungsministerin die aus zahlreichen EU-Staaten zur 17. Berliner Sicherheitskonferenz angereisten Militärs und Sicherheitsexperten dazu, ihre Kräfte zu bündeln, die USA zu entlasten und eigenständiger aufzutreten. Von der Leyen skizziert die ferne Vision einer „Armee der Europäer“. Am Ende ihrer Rede kommt sie doch noch auf die jüngste Eskalation im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vor der Halbinsel Krim zu sprechen – und offenbart dabei die in der Gegenwart doch recht begrenzten Möglichkeiten europäischer Sicherheitspolitik.
Die Zuspitzung des Konflikts zwischen Russland und die Ukraine treibt Berlin um
Noch, so von der Leyen, seien nicht alle Fragen rund um den Zwischenfall in der Wasserstraße von Kertsch geklärt, wo am Sonntag drei ukrainische Militärschiffe durch den russischen Grenzschutz aufgebracht und 23 Besatzungsmitglieder festgenommen waren. „Trotzdem muss uns allen klar sein, worum es hier leider erneut geht“, sagt die CDU-Politikerin. Nämlich um „die Frage des Respekts für die territoriale Unversehrtheit“ der Ukraine, um „die große zivilisatorische Errungenschaft, Konflikte zwischen Staaten mit völkerrechtlichen und rechtsstaatlichen Mitteln“ zu lösen. „Der Kreml hat in den vergangenen Jahren mit diesen Regeln und Prinzipien gebrochen“, sagt von der Leyen.
Sie ruft Russland sowie die Ukraine zur Deeskalation auf: „Die festgesetzten Schiffe und Matrosen sind freizusetzen. Die Ukraine muss Belege zum genauen Hergang vorlegen. Russland muss die freie Durchfahrt durch die Wasserstraße sicherstellen“, fordert von der Leyen. Europa werde Russland weiterhin die Hand reichen. „Aber das erfordert ein Russland, das sich zu Regeln, die wir gemeinsam aufgestellt haben, und zu Werten bekennt und nach diesen handelt.“ Die Militärs im Saal applaudieren.
Maas bietet die Mittlerdienste Deutschlands und Frankreichs an – und erhält eine Abfuhr
Zur selben Zeit spricht Außenminister Heiko Maas auf einer Konferenz der Körber Stiftung in Berlin. Er äußert eine in diesen Tagen im politischen Berlin weit verbreitete Sorge: „Wir müssen alles für eine Deeskalation tun, um zu verhindern, dass aus diesem Konflikt eine noch schwerere Krise für die Sicherheit in Europa wird.“ Der SPD-Politiker stellt einen Vermittlungsversuch Deutschlands und Frankreichs in Aussicht: „Wir haben Russland und die Ukraine zu größtmöglicher Zurückhaltung aufgefordert und angeboten, im Normandie-Format an einer Lösung zu arbeiten.“ Das Angebot ist keinen halben Tag in der Welt – da wird es schon abgelehnt.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sieht keinen Bedarf an Vermittlern. „Sollte es irgendwelche technischen Fragen geben, die der ukrainischen Seite nicht ganz klar sind, könnten sie auf der Ebene der örtlichen Grenzbehörden beider Länder erörtert werden“, sagte Lawrow nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian. Der Westen solle mal lieber die Ukraine mit einem „starken Signal“ zur Räson bringen.
Am Mittwoch tritt in der Ukraine das Kriegsrecht in Kraft
Aus eben diesem schroffen Auftreten der Kontrahenten speist sich die in Berlin grassierende Sorge vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts. Auf Betreiben Poroschenkos und mit Billigung des ukrainischen Parlaments tritt am Mittwoch im Osten des Landes das Kriegsrecht in Kraft – erstmals, seitdem die Ukraine ein unabhängiger Staat ist. Solange es gilt, kann das Militär Ausgangssperren verhängen, Personen- und Wohnungskontrollen vornehmen und Eigentum beschlagnahmen. Der jetzt ausgerufene Ausnahmezustand ist zunächst auf 30 Tage angesetzt. Offen ist, ob er bis ins kommende Frühjahr hinein verlängert wird – dann könnte die für März geplante Präsidentschaftswahl nicht stattfinden.
In Moskau wird die Ausrufung des Kriegsrechts als Provokation aufgefasst. Der Kreml warnt vor einer Eskalation der Lage in der Ostukraine. Nach Angaben von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow könnte das Kriegsrecht eine Gefahr für die Sicherheitslage in den von Separatisten kontrollierten Regionen Donezk und Lugansk darstellen. Die Spannungen dort könnten weiter zunehmen, so Peskow.
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Von Marina Kormbaki/RND