Die nächste Bundestagswahl im Fokus
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Sahra Wagenknecht
© Quelle: Sean Gallup/Getty Images
Berlin. Sahra Wagenknecht kommt nicht in Rot, sie stellt ganz in Weiß die linke Sammlungsbewegung "Aufstehen" vor. Genau einen Monat nach dem Freischalten der Website treten einige Initiatoren nun in Berlin persönlich in Erscheinung, um zu erklären, was sie bewegt: Neben der Linke-Fraktionschefin im Bundestag sind das Simone Lange, SPD-Bürgermeisterin in Flensburg, Ludger Volmer, früherer Grünen-Chef, der Theaterdramaturg Bernd Stegemann und der Kommunikationsexperte Hans Albers. Sie legen vor: ein fünfseitiges Kommuniqué, das von insgesamt 80 Initiatoren abgestimmt sein soll. Es heißt "Aufstehen – Gemeinsam für ein gerechtes und friedliches Land".
„Nicht auf Dauer Oppositionsreden halten“
Wagenknecht, die gemeinsam mit ihrem Mann Oskar Lafontaine seit fast einem Jahr an der Gründung der Sammlungsbewegung gearbeitet hat, ist seit gestern am ersten Zielpunkt angelangt. Knapp über 100.000 Menschen hätten sich eingeschrieben, eine „andere, sozialere Politik“ anzustoßen, sagt sie. „Eine Bewegung, die mit mehr als 100.000 Mitgliedern startet, ist keine von oben.“ Nun geht es der in der eigenen Partei nicht unumstrittenen Politikerin um die nächsten Wegmarken. „Ich möchte“, sagt sie, „nicht auf Dauer Oppositionsreden halten. Unser Fokus liegt auf der nächsten Bundestagswahl.“
Die vorliegende Agenda zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die sozial gespalten ist, deren Bevölkerung zunehmend von Armut bedroht wird, die globalen ökonomischen und ökologischen Gefahren ausgesetzt ist und in der sich immer mehr von der Demokratie abwenden. Der Theatermann Stegemann spricht von einer herrschenden Gefühlsanästhesie. „Widersprüche werden zugedeckt durch das gängige rechts-links-Schema.“ Die 1976 in Thüringen geborene SPD-Politikerin Simone Lange erzählt, sie sei in der Diktatur geboren und als Teenagerin in eine freiheitliche Gesellschaft gewechselt. Dort wolle sie auch weiterhin leben.
Niederschwellige Angebote machen
Lange wirbt dafür, niederschwellige Angebote an diejenigen zu machen, die sich von der Demokratie abgemeldet hätten und deren Zahl wachse. Ludger Volmer, der sich selbst als grünen Dissidenten bezeichnet, spricht davon, die „Menschen instandsetzen“ zu wollen, sich zu organisieren. „Keine Partei kann ohne gesellschaftlichen Rückhalt leben“, argumentiert er. „Und wir sind das Angebot an fortschrittliche Parteien, um die Demokratie zu erneuern, den Klimaschutz durchzusetzen und eine friedliche Außenpolitik zu betreiben.“
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Sahra Wagenknecht, Bernd Stegemann (links) und Ludger Volmer (rechts) auf dem Weg zur Pressekonferenz
© Quelle: Getty Images
Ist das kompliziert, weil es sich schließlich auch um die eigenen Parteien handelt? Kommunalpolitikerin Lange sieht es als Einladung an und Chance für die SPD. „Wir wollen da als Bewegung eine Tür öffnen.“ Sahra Wagenknecht weist darauf hin, dass es auch die Linke nicht vermocht habe, abgewanderten SPD-Mitgliedern und -Wählern eine attraktive Heimat zu geben. „Selbstgefälligkeit und Bequemlichkeit sind auch auf unserer Seite nicht angesagt. Ich wünsche mir, mit SPD und Grünen eine Politik durchzusetzen, die das Land wieder sozialer macht.“
„Nicht alle AfD-Wähler sind Nazis“
Wie Volmer spricht sich Wagenknecht dafür aus, die Parteien, die bis zur vergangenen Bundestagswahl eine Stimmenmehrheit im Parlament besaßen, durch ihre Bewegung zueinanderzuführen. "Wir dürfen dabei nicht nachtragend sein", sagt die Frau, die in der Vergangenheit bei vielen Gelegenheiten Sozialdemokraten die Zähne zeigte. "Wir haben schon zu viele nach rechts getrieben", so Wagenknecht. "Nicht alle AfD-Wähler sind Nazis."
Wie es weitergehen soll mit der Bewegung, welche Aktionen geplant sind, darüber verlieren sich die Initiatoren im Ungefähren. Es geht um transparente Debatten im Netz und Unterstützung lokaler Aktionen. Es solle wieder mehr zugehört werden, um ein klares Bild zu erhalten, was die Leute eigentlich wollten. Die Bewegung wolle „Inspiration für Politiker sein, um nicht nur zu senden, sondern auch wieder zu empfangen“, gibt der Kommunikationsfachmann Albers zu Protokoll. Mehr gibt es erst einmal nicht. Dass am Ende eine neue Partei entstehe, das beabsichtige niemand, versichern alle. „Jetzt fangen wir erstmal an“, sagt Sahra Wagenknecht.
Von Thoralf Cleven/RND