„Die politische Stabilität steht auf dem Spiel“

Julia Klöckner, die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, äußert im Interview Sorge über die politische Stabilität in Deutschland.

Julia Klöckner, die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, äußert im Interview Sorge über die politische Stabilität in Deutschland.

Berlin. . Julia Klöckner (45) ist Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Von 2002 bis 2011 saß Klöckner im Bundestag, zwei Jahre davon bekleidete sie das Amt der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Dorthin könnte sie schon bald zurückkehren: Klöckner wird als nächste Bundeslandwirtschaftsministerin gehandelt.

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Frau Klöckner, laute Kritik am Koalitionsvertrag und an der Kanzlerin kommt auch aus Ihrer Partei. Woher rührt der Ärger in der CDU?

Ich erlebe meine Partei nicht flächendeckend als verärgert. Ich bin viel im Land unterwegs, und meistens höre ich: Wir als Union waren und sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich wiegt es schwer, dass wir das Finanzministerium nicht mehr haben. Aber auch ein Finanzminister der SPD ist dem Koalitionsvertrag unterworfen, und der besagt: keine neuen Schulden, keine neuen Steuern. Daran gibt es nichts zu deuten, da stimmen mir die Leute dann auch zu.

Merz, Rühe, Röttgen: Es melden sich aber doch prominente Kritiker zu Wort. Vielleicht täte ja eine lebhaftere Diskussionskultur Ihrer Partei ganz gut?

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Wo ich bin, findet stets Diskussion statt, und zwar um die Inhalte. In der medialen Öffentlichkeit geht es aber immer um Positionen und Personal. So produziert man den Verdruss an Politik, den man dann beklagt. Das Zerrbild postengieriger Politiker nützt nur der AfD.

„Jetzt haben wir Grund zur Sorge“

Der Koalitionsvertrag liegt vor, in dieser Woche werden die potenziellen Minister der CDU benannt, das letzte Wort aber hat die SPD-Basis. Finden Sie das fair?

Wir haben mehr als 60 Millionen Wahlberechtigte. Dass die SPD-Mitglieder das letzte Wort bei der Regierungsbildung haben, wirft die Frage auf, ob wir es mit einem Wahlrecht erster und zweiter Klasse zu tun haben. Es ist doch widersprüchlich, dass die SPD für den Schritt in die Regierung meint, ihre Mitglieder befragen zu müssen, nicht aber für die Wahl ihres Übergangsvorsitzenden. Das ist ein Wegdelegieren von Verantwortung. Die SPD-Führung muss führen statt für Irritationen zu sorgen.

Beunruhigt Sie das Tief der SPD in den Umfragen?

Normalerweise treibt es einen nicht um, wenn der politische Mitbewerber hinter einem liegt. Aber jetzt haben wir Grund zur Sorge. Die AfD ist fast so stark wie die SPD – das ist eine grundlegende Verschiebung in der politischen Statik. Die politische Stabilität steht auf dem Spiel.

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„Die wissenschaftliche Forschung im Sinne des Tierwohls fördern“

Sie haben das Kapitel zur Landwirtschaft maßgeblich mitverhandelt. Es gibt in der Bevölkerung ein wachsendes Unbehagen an der Art, wie Lebensmittel produziert werden. Haben Sie das berücksichtigt?

Mich leiten Fakten, kein unbestimmtes Gefühl. Hysterische und einseitige Diskussionen wie jene über Glyphosat helfen nicht weiter, besser ist es, sich die wissenschaftliche Grundlage genau anzuschauen und natürlich zum Wohle von Mensch, Tier und Umwelt zu handeln. Maximalforderungen im Tierschutz, die in kürzester Zeit nicht so umzusetzen sind, wie es sich manche wünschen, führen dazu, dass Ställe in Deutschland verschwinden und Tiere unter schlechteren Bedingungen im benachbarten Ausland gehalten werden. Wir haben Experten in die Beratungen einbezogen: was ist mit Tierversuchen, wie kommen wir schnell zu mehr Tierwohl, wie nehmen wir die Landwirte und Verbraucher mit - das sind wichtige Fragen. Unser Ziel ist eine unternehmerische Landwirtschaft mit guten Standards, klar erkennbar für Verbraucher.

Ein Tierwohllabel soll „Fleisch aus besserer Tierhaltung“ anzeigen. Räumen Sie damit ein, dass geltende Standards zu niedrig sind?

Nein. Wer aber noch höhere Anforderungen möchte, soll das auch erkennen können - auch warum es dann teurer ist. Viele Bürger wollen genau wissen, woher ihr Fleisch auf dem Tisch kommt, wie das Tier gehalten und behandelt wurde. Dafür braucht es Kennzeichnungen mit klaren, wahren Angaben.

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Aber offenbar sehen auch Sie Nachbesserungsbedarf in der Tierhaltung.

Ich finde es unerträglich, wenn Puten aufgrund ihres Gewichts nicht mehr stehen können. Das ist nicht tiergerecht. Auch zur konventionellen Ferkelkastration und dem Töten männlicher Küken muss es Alternativen geben. Wir wollen hierfür die wissenschaftliche Forschung im Sinne des Tierwohls fördern. Zum Beispiel lässt sich schon im Ei das spätere Geschlecht des Tieres erkennen, dann muss man doch keine Tiere schreddern.

„Die Landwirtschaft ist modern, digital und zukunftsfest“

Wie wollen Sie den Ökolandbau stärken?

Ganz wichtig: Den konventionellen und den ökologischen Anbau spielen wir nicht gegeneinander aus, beides hat seine Berechtigung. Vor allem hat aber die Ökolandwirtschaft zum Beispiel in nassen Jahren ein erhebliches Problem. Um ihre Ernte zu sichern, würden viele Ökolandwirte gerne punktuell auf konventionelle Pflanzenschutzmittel zurückgreifen. Dürfen sie aber nicht. Manchen Bauern kostet das die Existenz - und viele hält es davon ab, den Weg in den Ökolandbau zu wagen. Wir müssen Ökolandwirten in schlechten Phasen den Gebrauch konventioneller Pflanzenschutzmittel erlauben können, aber dazu bedarf es weiterer Forschung. Aber natürlich auch der Zustimmung der Branche und Verbände. Das geht nur gemeinsam.

Was ist Ihr Maßstab für eine gute Agrarpolitik?

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Wir wollen eine nachhaltige, bäuerliche, familiengeführte und flächendeckende Landwirtschaft. Es gibt Regionen in Deutschland, da bestimmen große, nicht inhabergeführte Großkonzerne das Bild, die es auf EU-Gelder abgesehen haben. Das ist nicht die Landwirtschaft, die ich mir wünsche. Ich möchte nicht, dass regional verwurzelte Höfe nach und nach dicht machen. Ich wünsche mir, dass die nachfolgende Generation Freude an dem Beruf hat, Lebensmittel zu produzieren. Und dass sie davon gut leben kann. Die Landwirtschaft ist modern, digital und zukunftsfest. Darin wollen wir sie unterstützen.

Möchten Sie als Agrarministerin dazu beitragen?

Man kann auf vielerlei Art dazu beitragen, die Landwirtschaft zu unterstützen - auch als Verbraucher.

Von Marina Kormbaki/RND

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