Ehrliche Makler gesucht
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Demonstranten protestieren im Libanon gegen die Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Trump.
© Quelle: dpa
Washington. Ein machtpolitisches Vakuum gibt es in der Diplomatie nicht. Wenn jemand den Raum verlässt, tritt jemand anderes ein. Wie schnell diese alte Erkenntnis wirksam wird, lässt sich gerade im Nahen Osten beobachten: Während alle Welt mit dem amerikanischen Präsidenten hadert wegen seiner Jerusalem-Entscheidung, sondiert sein russischer Kollege heute in Kairo und Ankara die Lage.
Der Kreml hat keine Interesse an einer weiteren Zuspitzung in der Krisenregion. Erstes Ziel des Russen ist es vielmehr, den Militäreinsatz in Syrien rasch zu beenden und den eigenen Einfluss zu stärken. Dass ihm bei dieser schwierigen Aufgabe ausgerechnet Donald Trump neue Möglichkeiten eröffnet, hätte sich Wladimir Putin wohl nicht träumen lassen. In diesen Tagen werden die Karten neu gemischt.
Mit seiner einseitigen Entscheidung zugunsten Israels verspielt der Chef im Weißen Haus nicht nur die Vermittlerrolle Amerikas, er bringt auch die moderaten Kräfte in der arabischen Welt unter Zugzwang. Jordaniens König Abdullah eilte eigens nach Washington um seinen Verbündeten von dem Schritt in eine noch ungewissere Zukunft abzuhalten. Jordanien wurde schließlich nicht nur für viele Palästinenser zur neuen Heimat, sondern ist auch die Schutzmacht der heiligen Stätten in Jerusalem. Je größer der Druck von der Straße wird, umso schwieriger wird es für das Königshaus, eine ausgleichende Rolle zu spielen. Da hilft es wenig, dass Trump weiterhin von der Zweistaatenlösung spricht und den Status von Ostjerusalem ausdrücklich offen lässt.
Saudi-Arabien hat andere Prioritäten als das Schicksal Palästinas
Die Empörungen und wütenden Demonstrationen in der muslimischen Welt sollten über die verdeckten Frontstellungen allerdings nicht hinwegtäuschen. So protestiert Saudi-Arabien zwar gegen die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Der Einspruch fällt aber verhältnismäßig zurückhaltend aus, um die anti-iranischen Allianzen nicht zu gefährden. Zur Wahrheit gehört: Das Ringen um die Vormachtstellung in der gesamten Region genießt für das saudische Königshaus längst eine größere Priorität als das Schicksal der Palästinenser. Auch Ägypten ist weit davon entfernt, die Kooperation in Sicherheitsfragen mit Israel aufs Spiel zu setzen.
Die Führung im Iran wiederum sieht eine Gelegenheit, die verdeckten Kooperationen mit Israel anzuprangern und seinerseits die Front zu dem mächtigen Golfstaat zu verhärten. Seine militärische Präsenz dürfte Teheran in unmittelbarer Nähe des jüdischen Staates jedenfalls weiter ausbauen.
In dieser aufgeheizten Lage bringen sich aus gutem Grund gleich mehrere europäische Staaten als Vermittler ins Spiel. Der alte Kontinent erlebte vor genau 100 Jahren, welche schrecklichen Folgen die Abwesenheit eines ehrlichen Maklers haben kann. Erfahrene Diplomaten sind heute gefragter denn je.
Von Stefan Koch