Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Einbruch ja, Sex nein – Teile von Mecklenburg-Vorpommerns Polizeigesetz gekippt

Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat vor Gericht eine Niederlage kassiert.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat vor Gericht eine Niederlage kassiert.

Das Bundes­verfassungs­gericht schützt Bürgerinnen und Bürger vor allzu großzügig ausgestalteten Ermittlungs­befugnissen der Polizei. Die Richter und Richterinnen erklärten etliche Vorschriften im 2020 reformierten Sicherheits- und Ordnungs­gesetz (SOG) von Mecklenburg-Vorpommern für verfassungswidrig, wie sie am Mittwoch mitteilten.

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So darf die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern in Wohnungen einbrechen, um Staatstrojaner auf Geräten zu installieren. Das entschied jetzt das Bundes­verfassungs­gericht. Allerdings dürfen verdeckte Ermittler in dem Küstenland keine Liebes­beziehungen zu Zielpersonen eingehen.

Die schwarz-rote Koalition von Minister­präsidentin Manuela Schwesig (SPD) und dem damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hatte 2019 das SOG des Landes massiv verschärft.

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Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht: (von links nach rechts) Ines Härtel, Josef Christ, Susanne Baer, Gabriele Britz, Stephan Harbarth, Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts, Andreas L. Paulus, Yvonne Ott und Henning Radtke.

Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht: (von links nach rechts) Ines Härtel, Josef Christ, Susanne Baer, Gabriele Britz, Stephan Harbarth, Vorsitzender des Senats und Präsident des Gerichts, Andreas L. Paulus, Yvonne Ott und Henning Radtke.

Das SOG ist ein Polizeigesetz, regelt also die Befugnisse der Polizei zur Gefahren­abwehr und zur Verhinderung von Straftaten, während für die Strafverfolgung die Straf­prozess­ordnung, ein Bundesgesetz, gilt.

Gegen die zahlreichen Verschärfungen klagten fünf Einzelpersonen, darunter der Fußballfan Sebastian Trettin und die Anwältin Katrin Hildebrandt. Die Verfassungs­beschwerde, die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt wurde, hatte teilweise Erfolg.

Einsatz von Staatstrojanern im Fokus

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand 2019 der Einsatz von Staatstrojanern. Wie viele andere Landespolizeien darf die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern nun auch Spähsoftware auf Smartphones und Computer aufspielen, um den Inhalt der Festplatte zu kopieren (Online­durchsuchung) oder laufende Kommunikation zu überwachen (Quellen-TKÜ).

Neu war in Meck-Pomm, dass die Polizei auch in Wohnungen einbrechen darf, um die Trojaner­software heimlich zu installieren. Dagegen hatte das Bundes­verfassungs­gericht nun aber keine grundsätzlichen Einwände. Zur Gefahren­abwehr seien solche Eingriffe mit dem Grundgesetz (Artikel 13 Absatz 7) vereinbar. Erforderlich sind allerdings eine konkretisierte Gefahr für ein Rechtsgut von sehr hohem Gewicht und eine richterliche Anordnung.

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Die konkrete SOG-Norm wurde nur beanstandet, weil sie die Eingriffs­schwelle nicht präzise genug beschrieb. Die GFF kritisierte, dass damit sogar der polizeiliche Einbruch in Wohnungen mit schlafenden Menschen möglich ist.

Vorgaben zum Schutz des „Kernbereichs privater Lebensgestaltung“

Von grundsätzlicher Bedeutung sind die Vorgaben der Verfassungs­richter zum Schutz des „Kernbereichs privater Lebens­gestaltung“ beim Einsatz von Polizeibeamten und ‑beamtinnen als verdeckte Ermittler oder von sonstigen Spitzeln (V‑Personen). So dürfen keine intimen Beziehungen genutzt werden, um ein Vertrauens­verhältnis zur Zielperson zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

Auch ähnlich tiefe nicht sexuelle Beziehungen, wie sie nur in der Familie oder zwischen Lebens­partnern üblich sind, darf die Polizei nicht gezielt einsetzen, um an Informationen zu kommen. Die Richter verbieten auch, jemanden als V‑Person gegen den eigenen Ehepartner einzusetzen.

Wenn es doch zu intimen oder Liebes­beziehungen kommt, ist der Einsatz von verdeckten Ermittlern und Ermittlerinnen und V‑Personen abzubrechen. Er darf aber so lange fortgesetzt werden, wie ein Auffliegen der polizeilichen List vermieden werden kann. Es sei ein verfassungs­rechtlich anerkanntes Interesse, dass Undercover­ermittler mehrfach eingesetzt werden können, so die Richter.

Sechs Normen beanstandet

Mehrfach kritisierte das Gericht, dass sich die neuen polizeiliche Befugnisse auch auf Vorfeld­straftaten wie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehen. Hier sind künftig nur noch dann heimliche Präventiv­maßnahmen erlaubt, wenn bereits eine konkretisierte Gefahr besteht.

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Insgesamt beanstandeten die Verfassungs­richter und ‑richterinnen sechs Normen des Polizei­gesetzes von Mecklenburg-Vorpommern. Teilweise können diese aber noch bis Ende des Jahres angewandt werden.

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