Kommentar

Rechtsextreme in der Regierung – ein Stresstest für Israels Demokratie

Bis vor zwei Jahren hatte der rechtsextreme Politiker Itamar Ben-Gvir (links) ein Bild eines Terroristen in seinem Wohnzimmer hängen, der 1994 29 betende Palästinenser erschossen hatte. Jetzt ist Ben-Gvir Teil der neuen Regierung Benjamin Netanjahus.

Bis vor zwei Jahren hatte der rechtsextreme Politiker Itamar Ben-Gvir (links) ein Bild eines Terroristen in seinem Wohnzimmer hängen, der 1994 29 betende Palästinenser erschossen hatte. Jetzt ist Ben-Gvir Teil der neuen Regierung Benjamin Netanjahus.

Die Vereidigung der neuen rechtsreligiösen Regierung ist ein Stresstest für die Demokratie in Israel. Wieder einmal führt der Rechtskonservative Benjamin Netanjahu eine israelische Regierung als Ministerpräsident an. Doch diese Regierung ist wie keine zuvor. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes sind Rechtsextreme Teil des Kabinetts. Damit ist auch das letzte bisschen Hoffnung auf Frieden in Nahost bis auf Weiteres passé. Und auch für Israel als demokratischen Rechtsstaat ist diese Regierung eine Gefahr.

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Die kontroverseste Personalie der neuen Regierung ist Itamar Ben-Gvir. Der Vorsitzende der Partei Jüdische Stärke war schon als Jugendlicher in rechtsextremen Organisationen aktiv. Das Militär zog ihn aufgrund seiner rechtsextremen Positionen nicht zum Wehrdienst ein. Ben-Gvir wurde mehrfach angeklagt und verurteilt – unter anderem wegen Aufstachelung zu Rassismus. Noch bis 2020 hing ein Bild des Terroristen Baruch Goldstein in Ben-Gvirs Wohnzimmer. Goldstein verübte 1994 ein Attentat auf betende Palästinenser in Hebron. Er erschoss 29 Menschen und verletzte etwa 150 weitere. Von seiner rechtsextremen Biografie distanziert sich Ben-Gvir kaum glaubwürdig. Im November erklärte er immerhin, er wolle nicht mehr alle Araberinnen und Araber aus Israel ausweisen.

Rechtsextremer ist für die Polizei zuständig

In der neuen Regierung Netanjahu ist Ben-Gvir nun Minister für Nationale Sicherheit – mit ausgeweiteten Befugnissen. So wird er neben der Polizei auch für die Grenzpolizei im Westjordanland zuständig sein.

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Nicht nur arabische Israelinnen, Israelis, Palästinenserinnen und Palästinenser haben angesichts der neuen Regierung Grund zu extremer Sorge. Ein weiterer Koalitionspartner Netanjahus, der Chef der rechtsreligiösen Noam-Partei, Avi Maoz, bezeichnet sich selbst als „stolzen Homophoben“ und würde LGBT-Pride-Paraden am liebsten verbieten. Netanjahu hat zwar bereits erklärt, dass es unter seiner Führung keine Diskriminierung der LGBT-Gemeinschaft geben werde. Ob er die Rechtsextremen und Ultrareligiösen in seiner Koalition im Zaum halten kann, darf jedoch bezweifelt werden. Immerhin ist Netanjahu auf sie als Königsmacher angewiesen.

Dass der Vorsitzende der Likud-Partei nun als Stimme der Vernunft in der neuen israelischen Regierung herhalten muss, ist ohnehin eine irrwitzige Wendung. Ausgerechnet er, der Populist, gegen den weiterhin ein Korruptionsprozess läuft.

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Geplante Justizreform ist eine Gefahr für die Rechtsstaatichkeit

Auch die Pläne der neuen Regierung für eine Justizreform sind eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit Israels: Demnach soll eine einfache Parlamentsmehrheit Entscheidungen des Obersten Gerichts überstimmen können. Das Gericht entscheidet etwa, ob Gesetze gegen Grundrechte verstoßen.

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Seit der Gründung im Jahr 1948 gehörte es stets zur DNA Israels, ein jüdischer und demokratischer Staat zu sein. Teile der neuen Regierung verfolgen eine Vision von Israel, in der das Demokratische höchstens eine untergeordnete Rolle spielt.

Wie wehrhaft sich der israelische Rechtsstaat gegen die Versuche, ihn auszuhöhlen, zeigen wird, hängt nun zum einen von den Institutionen des Staates ab – von Behörden und Justiz. Zum anderen liegt es in den Händen der aktiven und lauten israelischen Zivilgesellschaft, sich gegen diskriminierende und antidemokratische Politik zu stellen. Und zu guter Letzt kommt es auf die parlamentarische Opposition an und darauf, ob sie es bis zur nächsten Parlamentswahl schafft, der seit Langem fortgeschrittenen Zersplitterung der israelischen Parteienlandschaft etwas entgegenzusetzen. Wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, kann der Zeitraum bis zur nächsten Wahl in Israel ganz schön kurz sein.

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