Kommentar

EU-Asylpolitik: Ein forcierter Nationalismus wäre das schlechteste Szenario

Das Asylrecht der EU soll reformiert werden (Symbolbild).

Das Asylrecht der EU soll reformiert werden (Symbolbild).

Wenn die zuständigen Ministerinnen und Minister der Europäischen Union am Donnerstag in Luxemburg über die Reform der europäischen Asylpolitik verhandeln, dann liegt ein hartes Stück Arbeit vor ihnen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser zum Beispiel muss, zumindest theoretisch, auf ein Ergebnis hinwirken, das die postfaschistische italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ebenso akzeptiert wie der linke Flügel der Grünen. Das ist praktisch unmöglich.

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Derzeit haben wir in der EU vielfach regellose Verhältnisse. Zwar herrscht formal das Dublin-System. Es sieht vor, dass Asylbewerber dort einen Antrag stellen können, wo sie den Boden der EU betreten. Das sind Staaten mit EU-Außengrenze wie Griechenland, Italien, Spanien oder Ungarn. Die aber schrecken Geflüchtete entweder systematisch ab oder lassen aus Überlastung einen Teil von ihnen in andere EU-Staaten weiterreisen.

Viele kommen dann nach Deutschland. Und weil eine gerechte Verteilung der Schutzsuchenden in Europa bisher scheiterte, wächst der Druck auch bei uns. Denn es kommen ja nicht nur rund 20.000 Asylbewerber pro Monat. Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine leben zwischen Kiel und Konstanz zudem eine Million Menschen aus der Ukraine. Rufe nach Wiedereinführung von Grenzkontrollen sind eine Folge.

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Neue Ausgangslage

So, wie es ist, kann es also nicht bleiben. Zugleich haben sich zwei Umstände fundamental verändert. Erstens beherbergen neuerdings Länder Geflüchtete, die lange keine hatten. In Polen, Tschechien und der Slowakei leben über zwei Millionen Ukrainer. Bislang bei der Aufnahme unsolidarische Staaten sehen plötzlich, wie sehr sie selbst von Solidarität profitieren könnten. Zweitens gibt es immer mehr rechtsgerichtete Regierungen in Europa, die mit Grundgesetzartikel 16 – „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – nichts am Hut haben. Das macht den Spielraum enger.

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Trotzdem gilt: Die Asylanträge von Menschen aus Staaten ohne Bleibeperspektive müssen tatsächlich geprüft werden. Es dürfen keine gigantischen Lager entstehen, die allein der Abwehr dienen. Menschen aus Staaten mit Bleibeperspektive wie Afghanistan oder Syrien müssen weiterreisen dürfen, statt sie auf vermeintlich sichere Drittstaaten zu verweisen.

Schließlich muss die gerechte Verteilung von Geflüchteten auf die EU-Staaten wirklich stattfinden. Eine Lösung, wonach sich eine Mehrheit am Ende von der Pflicht freikauft, wird auf Dauer so wenig funktionieren wie der Status quo. Käme es zu einer gerechten Verteilung, würde Deutschland daraus einen Nutzen ziehen.

Gesucht wird eine Perspektive, die Humanität nicht völlig aus dem Blick verliert und den Zerfall der EU nicht verschärft. Beides steht auf dem Spiel. Ein forcierter Nationalismus wäre nicht zuletzt für die Geflüchteten das schlechteste Szenario.

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