EU-Außenbeauftragter Borrell: Was hat er mit Europa vor?
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Zu Besuch in Berlin: Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
© Quelle: imago images/Jürgen Heinrich
Berlin. Um Europa nach außen vertreten zu können, muss sich Josep Borrell erst einmal einen profunden Eindruck von dessen Befindlichkeiten im Inneren verschaffen. Also tourt der neue EU-Außenbeauftragte durch Europas Hauptstädte. Am Montag machte der 72-jährige Spanier halt in Berlin, wo er mit Außenminister Heiko Maas zusammentraf. Die unter Federführung Deutschlands gestartete diplomatische Großoffensive zur Befriedung Libyens stand im Mittelpunkt ihres Gesprächs.
Beide Sozialdemokraten eint das Ziel, mit der Vermittlung eines Friedens in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland die außenpolitische Handlungsfähigkeit Europas unter Beweis zu stellen. Bei der Wahl der Mittel aber unterscheiden sie sich: Während Maas leise und vorsichtig mögliche Kompromisslinien auslotet, schätzt der EU-Chefdiplomat Borrell den robusten, nicht unbedingt diplomatischen Auftritt.
So brachte er, noch bevor der von Maas und Kanzlerin Angela Merkel mühsam vorbereitete Libyen-Gipfel überhaupt stattgefunden hatte, eine EU-Militärmission für das nordafrikanische Land ins Gespräch. Nicht jeder in der Bundesregierung fand den Vorstoß hilfreich. Am Montag nun einigten sich Maas und Borrell darauf, dass mit Sanktionen belegt werden solle, wer das UN-Waffenembargo verletzt.
Borrell will EU zu geopolitischem Akteur machen
Borrells erklärtes Ziel ist es, aus der EU einen geopolitischen Akteur zu machen. Eine respektierte Macht, die sich nicht von den USA oder China sagen lassen muss, wo es langgeht, sondern selbst Spielregeln aufstellt. Europa, so forderte er im Herbst bei seiner Anhörung im EU-Parlament, müsse „die Sprache der Macht“ erlernen. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin, der Italienerin Federica Mogherini, spricht Borrell den Führungsanspruch Europas offensiv aus.
Zu dem Zweck müssen sich die Europäer einig werden, welche ihre Rolle in der Welt ist – etwa im Nahen Osten, gegenüber Russland oder als Abnehmer chinesischer Technologie. Noch aber liegen die Sichtweisen der Mitgliedsstaaten mitunter weit auseinander. In Libyen beispielsweise unterstützen Frankreich und Italien verfeindete Lager. Borrell dringt nun gegenüber den EU-Regierungen darauf, ihre Interessen näher zusammenzuführen. Einstimmigkeit sei die Voraussetzung für Durchsetzungsfähigkeit, so sieht das der spanische Sozialdemokrat.
Auf der europäischen Bühne ist Borrell kein Unbekannter. Von 2004 bis 2007 war der Katalane Präsident des europäischen Parlaments; vor seiner Berufung ins Kabinett von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war der promovierte Ökonom Außenminister Spaniens. Zwischenzeitlich drohte ihn eine Affäre wegen Insiderhandels auszubremsen. Er akzeptierte ein Bußgeld von 30.000 Euro, seine Karriere nahm weiter an Fahrt auf.
Nun ist Borrell Chefdiplomat der Europäer. Libyen, Iran, Russland – an Bewährungsfeldern fehlt es nicht. Die größte Herausforderung aber steht ihm nicht außerhalb der EU bevor, sondern innerhalb – er muss zwischen den Europäern vermitteln. Will Borrell die Europäer „die Sprache der Macht“ lehren, muss er ihnen zunächst zu einer gemeinsamen Stimme verhelfen.