EU-Kommission empfiehlt Kandidatenstatus für die Ukraine: Wie geht es jetzt weiter?
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Die EU-Kommission hat ihre Empfehlung abgeben, der Ukraine den Kandidatenstatus zu gewähren.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dp
Am Freitag hat die EU-Kommission empfohlen, die Ukraine offiziell als Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. Die Entscheidung kommt wenig überraschend. Gerade aus Deutschland, Frankreich und Italien waren die Signale für einen möglichen Beitritt der Ukraine in die EU zuletzt positiv. Bei ihrem gemeinsamen Besuch in Kiew sicherten Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Macron der Ukraine ihre Unterstützung zu.
Doch die Entscheidung der EU-Kommission ist erst einmal nur ein Zwischenschritt. Damit der Weg für die Ukraine als EU-Beitrittskandidat offensteht, müssen auch alle 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten dem Schritt zustimmen. Ein einstimmiges Ergebnis ist gesetzlich vorgesehen. Dass es so kommt, ist nach jetzigem Ermessen allerdings eher unwahrscheinlich. Vor allem Portugal und Dänemark äußerten Bedenken, ob die Ukraine ohne den Überfall von Russland überhaupt als potenzieller Beitrittskandidat wahrgenommen worden wäre.
Vor welchen Hürden steht die Ukraine noch?
Denn wer in die EU will, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So werden ohnehin nicht alle Länder direkt Beitrittskandidaten. Im Falle des Kosovo und von Bosnien und Herzegowina hat die EU einen Zwischenschritt im Aufnahmeprozess eingeschoben und die Länder als „potenzielle Beitrittskandidaten“ eingestuft.
Brüssel entscheidet über EU-Beitrittskandidatur der Ukraine
Seit Monaten setzt der ukrainische Präsident die EU unter Druck. Immer wieder fordert er, sein Land zum Kandidaten für die Europäische Union zu machen.
© Quelle: dpa
Mit diesen Ländern schließt die EU zuerst ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ab, um die wirtschaftliche und rechtliche Lage des jeweiligen Landes an die der EU anzupassen. So forderte etwa der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Änderung der bosnischen Verfassung und mehr Rechte für Minderheiten bei der Kandidatur für politische und öffentliche Ämter. Auch will die EU den Schock für den Binnenmarkt abfedern, wenn ein wirtschaftlich schwächeres Land hinzukommt.
Diese Länder an die Wirtschaft- und Wertestandards der EU anzupassen ist allerdings langwierig. Das bosnische Stabilisierungsabkommen hat die EU bereits vor 14 Jahren abgeschlossen. Auch die Ukraine müsste als potenzieller Beitrittskandidat sein politisches System reformieren. Besonders Korruption war vor dem Krieg im Land ein massives Problem. Transparency International listete die Ukraine in seinem Korruptionsranking auf Platz 122 von 180 Ländern. Auch die von Oligarchen dominierte Wirtschaft müsste reguliert werden. Im Oktober 2021 wurde etwa durch die Datenleaks der „Pandora Papers“ bekannt, dass Präsident Selenskyj eine Briefkastenfirma in einer Steueroase betrieb.
Beitrittskandidaten müssen normalerweise viel Geduld mitbringen
Doch auch die offiziellen Beitrittskandidaten, die teilweise bereits in Verhandlungen mit der EU stehen, müssen viel Geduld mitbringen. Neben Albanien, Montenegro und Nordmazedonien bewerben sich auch Serbien und die Türkei um den Eintritt in die Europäische Union. Letztere erregte mit ihrem mittlerweile 23 Jahren dauernden Beitrittsprozess immer wieder große Aufmerksamkeit. Nordmazedonien wartet immerhin seit 17 Jahren auf eine positive Entscheidung aus Brüssel, Montenegro und Serbien warten jeweils zehn Jahre. Albanien ist seit 2014 Beitrittskandidat.
Die Türkei hat erst sechs Jahre nach ihrer offiziellen Ernennung als Beitrittskandidat mit Verhandlungen begonnen. Knackpunkte bei den Verhandlungen sind die „Kopenhagener Kriterien“, die jedes Land erfüllen muss, um als vollwertiges Mitglied in die EU aufgenommen zu werden. Der Kriterienkatalog wurde 1993 kurz nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion in Vorbereitung auf die mögliche Osterweiterung der EU beschlossen. Wenig später fanden die Kriterien von Kopenhagen Eingang in den EU-Vertrag und bilden verbindliche Regeln für die Union. Geklärt werden darin etwa die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte insbesondere der Minderheitenrechte. Der Ministerrat der EU bemängelte im vergangenen Jahr gravierende Rückschritte in den persönlichen Freiheitsrechten in der Türkei.
Die Verhandlungen sind ohnehin seit mehreren Jahren eingefroren, da die Türkei durch ihr außenpolitischen Handeln gegen die Interessen der EU verstoßen habe, wie der Ministerrat befand. Konkret geht es dabei um die Waffenlieferungen nach Libyen sowie verschiedene Verletzungen der Zollunionvereinbarungen.
Und was passiert nach den Beitrittsverhandlungen?
Nach einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen wäre die Ukraine aber immer noch kein Mitglied der EU. Dann fehlt noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments, und dazu ist eine absolute Mehrheit notwendig. Anschließend muss der Europäische Rat dem Ergebnis einstimmig zustimmen, bevor die Beitrittsverträge in den 27 Mitgliedsstaaten von den Regierungschefs unterzeichnet werden. Zuletzt stimmt dann noch die Regierung des Beitrittskandidaten zu.
Dass die Ukraine zügiger in die EU eintritt als ihre Mitbewerber ist kaum zu erwarten. Zum einen hatte die EU ohnehin strenge Kriterien für einen Beitritt angekündigt, zum anderen wird der Verlauf des Krieges erst zeigen, in welchem Zustand sich das Land tatsächlich befindet.
Neben der Ukraine haben außerdem die Republik Moldau und Georgien einen Antrag auf Beitritt in die EU gestellt. Beide Staaten hatten nur wenige Tage nach der Ukraine ihren Antrag bei der EU eingereicht. Neben der Ukraine hat auch Moldau die Empfehlung der Kommission für einen Kandidatenstatus erhalten.
RND/dre
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