Europa-Grüne fordern Geldstrafen gegen Ungarn, Polen und Tschechien
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Ungarn hat seine Grenze zu Serbien mit Zäunen versehen, damit Flüchtlinge nicht ins Land kommen.
© Quelle: MTI
Brüssel. Ungarn, Polen und Tschechien brachen vor fünf Jahren europäisches Recht, weil sie sich weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in Luxemburg geurteilt. Als Konsequenz daraus fordern die Europa-Grünen nun Geldstrafen gegen die Staaten.
“Die EU-Kommission sollte beim Europäischen Gerichtshof beantragen, dass Polen, Tschechien und Ungarn Strafen bezahlen müssen”, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: “Das Fehlverhalten der Länder muss Konsequenzen haben. Momentan ist es diesen Staaten egal, dass sie europäisches Recht brechen. Doch am Ende muss klar sein: Es darf sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr lohnen, keine Solidarität zu zeigen.”
Beschluss aus dem Jahr 2015 missachtet
Nach dem Urteil des Luxemburger Gerichts hätten sich die drei Länder nicht weigern dürfen, EU-Beschlüsse zur Umverteilung von Asylbewerbern aus Griechenland und Italien umzusetzen (Rechtssachen C-715/17, C-718/17, C-719/17).
Im Jahr 2015 hatten die EU-Mitgliedsstaaten mehrheitlich beschlossen, dass bis zu 160.000 Asylbewerber innerhalb der Union verteilt werden sollten. Das sollte Griechenland und Italien entlasten, wo damals zahlreiche Flüchtlinge ankamen. Ungarn, Polen und Tschechien machten jedoch bei der Umverteilung nicht mit.
Das Urteil von Donnerstag hat keine unmittelbaren Folgen. Zunächst müsste die EU-Kommission in Brüssel beim EuGH Geldstrafen beantragen. Dann müsste der Gerichtshof ein Strafmaß festlegen, das sich auch an der Wirtschaftskraft der Staaten orientieren muss.
Nach Ansicht des Grünen-Europapolitikers Marquardt müsste so schnell wie möglich eine Strafe verhängt werden. “Wer nicht bereit ist, Menschenrechte in Europa zu schützen, muss das im eigenen Geldbeutel spüren”, sagte Marquardt.
Neue Mechanismen gefordert
Das könne aber nur ein erster Schritt sein, sagte der Europaabgeordnete. Im neuen Pakt für Migration und Asyl, den die EU-Kommission nach Ostern vorlegen will, müssten auch neue Mechanismen enthalten sein. “Wer helfen will, soll auch helfen dürfen und dafür belohnt werden”, sagte Marquardt weiter: “Es ist ja absurd, dass wir in Corona-Zeiten überfüllte Flüchtlingslager zum Beispiel in Griechenland haben, aber Bundesländer in Deutschland ihre Möglichkeiten für eine Evakuierung nicht nutzen dürfen.”
Marquardt hält sich seit fünf Wochen auf der griechischen Insel Lesbos auf. Dort leben allein in dem völlig überfüllten Flüchtlingslager Moria mehr als 20.000 Menschen. Ausgelegt ist es nur für ungefähr 3000 Menschen. Seit dem Ausbruch des Corona-Krise steigt das Risiko, dass sich das Virus unkontrolliert in dem Lager ausbreiten könnte. Es sei dort unmöglich, Abstand voneinander zu halten, sagen Flüchtlingshelfer. Auch das Europaparlament forderte die Teilräumung der Lager auf den griechischen Inseln.
Doch Appelle, wenigstens ältere Flüchtlinge und jene mit Vorerkrankungen aus dem Lager zu bringen, verhallten bislang ungehört. Auch die Aufnahme von 1500 unbegleiteten Minderjährigen in einigen EU-Staaten, darunter Deutschland, verzögert sich weiter.
Gelassene Reaktion in Polen und Ungarn
Die EU-Kommission will nach eigenen Angaben nach Ostern einen Vorschlag für einen neuen Migrationspakt machen. Details sind noch nicht bekannt. Eine Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten dürfte darin aller Voraussicht nach wegen des anhaltenden Widerstands aus zentral- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten nicht mehr enthalten sein. Der Europaabgeordnete Marquardt sagte, es müsse ein System mit Anreizen für Staaten geschaffen werden, die Flüchtlinge tatsächlich aufnehmen und ihnen eine Perspektive bieten wollten: “Das ist realistischer als darauf zu hoffen, dass man eine Zwangsverteilung von Geflüchteten in allen EU-Staaten realisiert.”
Die Regierungen von Polen und Ungarn nahmen das Luxemburger Urteil am Donnerstag mit demonstrativer Gelassenheit zur Kenntnis. Der Spruch des Gerichts “hat keine weiteren Konsequenzen", sagte die ungarische Justizministerin Judit Varga. Die staatliche ungarische Nachrichtenagentur MTI zitierte die Vertraute des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán mit den Worten: “Nachdem die Quotenbeschlüsse schon längst ihre Geltung verloren haben, ergibt sich für uns keine Verpflichtung, Asylbewerber aufzunehmen.”
RND