Florian Schroeder: “Reflexhaftes Denken ist gesellschaftliches Gift”

Der Kabarettist Florian Schroeder.

Der Kabarettist Florian Schroeder.

Berlin. Herr Schroeder, wie sind Sie auf die Bühne der “Querdenken”-Demo gekommen?

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Ich wurde eingeladen. Ich hatte ein Programm gemacht, bei dem ich in die Rolle von Verschwörungsgläubigen geschlüpft bin. Ein Ausschnitt davon, ohne die satirische Auflösung am Schluss, wurde auf Youtube verbreitet. Die hielten mich für den Bekehrten.

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Und Sie haben das Missverständnis nicht aufgelöst. Das heißt, jemand von vornherein Kritisches wäre nie eingeladen worden?

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Wahrscheinlich nicht, aber ich weiß es nicht.

Sie reden dem Publikum ins Gewissen, werden ausgebuht. Wie haben Sie auf der Bühne die Stimmung erlebt?

Als klar gegen mich gerichtet, gegen einen, der eben nicht sagt, was die Leute hören wollen. Aber nicht als aggressiv. Es gab Buhrufe, natürlich, aber ich habe keine Aggressionen gespürt.

Was haben Sie mit Ihrem Auftritt Ihrer Meinung nach ausgelöst – in Stuttgart und im Netz?

Vielleicht eine Form der Irritation. Damit wäre mein Auftrag als Satiriker bereits erfüllt, ich bin ja kein Pädagoge. Aber ich hoffe, dass ich dort Menschen, die unsicher sind, ins Nachdenken gebracht habe.

Für wie gefährlich halten Sie denn die Verschwörungserzählungen, die dort verbreitet werden?

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Auf der unmittelbaren aktuellen Ebene halte ich sie nicht für gefährlich, weil sie noch marginal sind. Auf einer zweiten Ebene halte ich sie für hoch gefährlich, denn es gibt laut Studien ein Potenzial von bis zu 20 Prozent der Bevölkerung, das für Verschwörungserzählungen empfänglich ist. Auf den Demonstrationen – in Berlin noch mehr als in Stuttgart – bildet sich eine im negativen Sinne bunte Mischung. Dort treffen sich Linke, Esoteriker, Impfgegner, Rechte in einem antiautoritären Reflex. Peace-Flagge und Reichsflagge finden zusammen, denn am Ende geht es um “die Freiheit”. Und wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Lagern zusammentun um eines Höheren willen, wird es schnell explosiv.

Sie provozieren die Teilnehmer mit einem abgewandelten Goebbels-Zitat: “Wollt ihr die totale Meinungsfreiheit”? Was wäre für Sie denn diese totale Meinungsfreiheit?

Zunächst einmal meinte ich damit die Freiheit, alles sagen zu dürfen, ohne Buhrufe abzukriegen, auch das sagen zu können, was die nicht hören wollten. Auf einer anderen Ebene meine ich auch, dass sich viele einfach herausnehmen, das herauszubrüllen, was sie für richtig halten, egal ob es eine Beleidigung oder strafrechtlich relevant ist. Die Haltung “Ich habe eine Meinung, egal wie verletzend sie ist und ich habe Recht” ist auch gemeint mit der “totalen Meinungsfreiheit”. Diese Meinungsfreiheit ist die Pervertierung von Meinungsfreiheit. Insofern war der Satz eine Doppelbotschaft.

Das bringt uns zum Stuttgarter Philosophen Hegel, den Sie zitieren, und der Dialektik, die sie einfordern. Warum müssen wir wieder mehr Dialektik wagen – und was heißt das überhaupt

Dialektik wagen heißt, sich auf den Gegner einzulassen. Der andere ist nicht der Feind, er ist vielleicht der Gegner, der anders denkt als ich, mit dem ich mich im besten Sinne auseinandersetzen kann. Sich auf ihn einzulassen, heißt, sein eigener Gegner zu werden. Wer die Position des anderen versteht und nachvollziehen kann, ist in der Lage, umso fester eine Gegenposition einzunehmen. Das ist dialektisches Denken. Was wir heute haben, ist reflexhaftes Denken. “Ich habe Recht, und ich möchte eine Bestätigung dafür, dass ich Recht habe.” Das ist nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich, weil es am Ende blind macht für all die anderen Eindrücke und Positionen, die im Graubereich liegen. Das ist gesellschaftliches Gift.

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Wo sind da die Grenzen? Mit wem redet man nicht mehr, weil er nur den Riss in der Gesellschaft weiter vertiefen will, wie zum Beispiel die Neue Rechte?

Wenn man gar nicht mehr mit Rechten redet, sterben ja deswegen nicht deren Anhänger aus, sondern sie können sich als Märtyrer fühlen. Die Frage ist, welches Gespräch will man führen. Ich beobachte im Journalismus oft Extremwege: Entweder gibt es einfühlsame, liebevolle Porträts, um “die andere Seite” zu zeigen und “zutiefst zu verstehen”, oder es gibt Herablassung im Gewand der Ironie. Ein dritter Weg könnte eine inhaltliche Auseinandersetzung ohne Herablassung, heimliche Faszination und küchenpsychologische Einlassungen sein.

Sie reden den Demonstranten ins Gewissen. “Wenn wir wegen eines erneuten Lockdowns eine fette Krise bekommen und in der Diktatur landen, seid ihr schuld”, sagen Sie. Befürchten Sie diese Krise wirklich?

Das war eine satirische Überspitzung, hat aber einen wahren Kern. Ich möchte nicht wissen, was politisch los wäre, wenn wir einen erneuten Shutdown mit vielen Arbeitslosen bekämen, wenn wir in eine tiefe Wirtschaftskrise gerieten. Wir müssen vorsichtig sein. Ich hoffe nur, dass ich mit meiner Zuspitzung Unrecht habe.

Satiriker können nicht alles tun, Journalisten auch nicht – wer muss den Dialog jetzt weiterführen mit Menschen, die nur eingeschränkt dialogbereit sind?

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Wir alle, jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Mit den Nachbarn, in den sozialen Netzwerken, in der Familie, bei unserer Arbeit, in den Redaktionen, im Bundestag. Die Offenheit zum Gespräch, den Zweifel, die Möglichkeit, dass der andere Recht haben könnte – das müssen wir alle neu lernen.

Wenn die andere Seite aber auf ihrem Recht beharrt und nicht zuhören will…

Mit Fundamentalisten kann man nicht diskutieren. Wenn klar wird, das Gegenüber ist in seiner Welt zu Hause ist und die Tür verbarrikadiert hat, wird das Gespräch sinnlos. Aber man hat es versucht.

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