Macron in der Kritik: Alleingang bei Rentenreform heizt Proteste in Frankreich an
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Tausende Protestierende gehen in Paris auf die Straßen.
© Quelle: IMAGO/NurPhoto
Paris: Ausschreitungen bei Protesten gegen Rentenreform
Demonstrantinnen und Demonstranten setzten Gegenstände in Brand. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern und dem Einsatz von Tränengas.
© Quelle: Reuters
Paris. Ärger über die am Donnerstag durchs Parlament gedrückte Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron hat wieder zahlreiche Menschen auf die Straßen getrieben. In Paris blockierten am Freitag Demonstranten den Verkehr. Oppositionsparteien und Gewerkschaften verurteilten aufs Neue die Entscheidung Macrons, ein Votum in der Nationalversammlung, bei dem ihm eine Niederlage drohte, durch einen Sonderartikel der Verfassung zu umgehen.
Auf der Stadtautobahn in Paris kam es am Morgen nach einem Aufruf der Gewerkschaft CGT zu Blockaden und Behinderungen des Berufsverkehrs. Auch in anderen Städten wie etwa Rennes und Brest blockierten Protestierende zeitweise Straßen, berichtete die Zeitung „Le Parisien“. Gymnasien und Universitäten wurden teils von protestierenden jungen Leuten blockiert, wie etwa in Clermont-Ferrand und Lille. Die Gewerkschaften planen am nächsten Donnerstag erneut einen landesweiten Streik- und Protesttag.
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Der französische Präsident Emmanuel Macron.
© Quelle: Michel Euler/AP/dpa
Wegen ihres Vorgehens muss sich die Regierung am Montag einem Misstrauensvotum stellen. Erhält dieser eine Mehrheit, müsste die Regierung zurücktreten. Scheitert das Votum, gilt die Reform als angenommen.
Landesweit protestieren Hunderttausende
Durch Macrons umstrittene Reform soll das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Viele Franzosen lehnen das ab. Seit Januar kommt es immer wieder zu Streiks und Demonstrationen. Allein am Mittwoch demonstrierten landesweit knapp 500.000 Menschen gegen das Prestigeprojekt Macrons. Dieser argumentiert, die Reform sei nötig, um das Rentensystem bei einer alternden und immer länger lebenden Bevölkerung weiter zu finanzieren.
Einige Raffinerien kündigten am Freitag erneute oder verlängerte Streiks an, die Versorgung der Tankstellen mit Kraftstoff kam bislang aber nicht ins Stocken. Die streikende Müllabfuhr in Paris wurde unterdessen vom Polizeipräfekten zum Dienst verpflichtet, um mit der Beseitigung von rund 9000 Tonnen aufgehäuften Mülls aus den Straßen zu beginnen. Die Behinderungen im öffentlichen Nahverkehr und bei der französischen Bahn blieben am Freitag überschaubar. Im südfranzösischen Toulon aber besetzten Demonstranten Bahngleise und brachten den Zugverkehr zum Erliegen, berichtete der Sender BFMTV. Auch in Bordeaux stürmten Demonstranten den Bahnhof.
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Demonstranten setzten in der Nähe des Concorde-Platzes in Paris Müll in Brand.
© Quelle: Lewis Joly/AP
Die französische Regierung hatte am Donnerstagnachmittag kurzfristig entschieden, die umstrittene Rentenreform ohne die eigentlich anstehende Abstimmung in der Nationalversammlung durchzuboxen. Sie griff zu einem Sonderartikel der Verfassung, um das wichtigste Reformprojekt von Präsident Macron umzusetzen. Das Renteneintrittsalter wird dadurch von 62 auf 64 Jahre erhöht. Die Sorge war, dass doch nicht genügend Abgeordnete der Reform zustimmen.
Misstrauensvotum am Montag erwartet
Am Montag erwartet nun die Regierung ein Misstrauensvotum. Zwei Misstrauensanträge wurden bis Freitag in der vorgeschriebenen Frist gestellt. Dass damit die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne gestürzt wird, gilt aber als wenig wahrscheinlich.
Ein fraktionsübergreifender Misstrauensantrag wurde von der kleinen Zentrums-Mitte-Partei Liot gestellt. Dieser könnte vom Linksbündnis unterstützt werden, hieß es am Freitag aus den Parteien. Das rechtsnationale Rassemblement National brachte einen eigenen Antrag ein, der von keiner der übrigen Oppositionsparteien unterstützt werden dürfte. Die Frage ist, ob einige Abgeordnete der konservativen Républicains, die die Reform grundsätzlich unterstützt hatten, für den fraktionsübergreifenden Antrag stimmen und unter Umständen auch rechtsnationale Abgeordnete.
Damit ein Misstrauensantrag angenommen wird, müsste mindestens die Hälfte der Abgeordneten der Nationalversammlung dafür stimmen. Aktuell wären das 287. Seit 1962 ist aber keine Regierung in Frankreich mehr auf diesem Weg zu Fall gebracht worden. Sollte der Misstrauensantrag Erfolg haben, könnte Macron Borne theoretisch wieder mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen.
RND/AP/dpa