George H.W. Bush – ein Mann, dem Deutschland viel zu verdanken hat

George H.W. Bush mit Michail Gorbatschow.

George H.W. Bush mit Michail Gorbatschow.

Washington. Grüner Strick verziert mit Hundemotiven. Wer sich für Socken dieser Art begeistert, muss schon einen sehr speziellen Geschmack haben. Oder einen hintersinnigen Humor. George H. W. Bush hatte beides. Und er war Zeit seines Lebens bekannt dafür, hin und wieder in ungewöhnlichen Bahnen zu denken. Das hat ihm auch den Respekt seines Nachfolgers im Weißen Haus eingetragen. Bill Clinton brachte im vergangenen Jahr die Hundesocken als Gastgeschenk zum Besuch beim großen alten Herrn in Texas mit. Nun ist George Herbert Walker Bush gestorben.

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Sein jahrelanges Leiden infolge eines gebrochenen Halswirbels überspielte der 41. Präsident der Vereinigten Staaten beim Besuch seines Freundes und Mitstreiters bei humanitären Projekten mit kleinen Gesten. Mal hielt der Sammler ausgefallener Exemplare seine bunten Socken lächelnd in die Kameras, mal gab es eine freundliche Bemerkung zu den Malkünsten seines Sohnes, des 43. Präsidenten.

Hartnäckige Lungenentzündungen hatten ihn zuletzt immer wieder ans Bett gefesselt. An der Amtseinführung von Präsident Donald Trump etwa konnte der 92-Jährige mitten im eisigen Washingtoner Januar nicht teilnehmen.

Es war still in den vergangenen Jahren geworden um den Mann, dem Deutschland viel zu verdanken hat.

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George H.W. Bush trug die höchsten deutschen Ehrungen

Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin, Henry-Kissinger-Preis – Bush senior trug die höchsten deutschen Ehrungen. Sein Name bleibt eng mit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges verbunden. Seine langjährige außenpolitische Erfahrung sollte sich angesichts der weltpolitischen Umbrüche als Glücksfall der Geschichte erweisen, als er Anfang 1989 ins Weiße Haus einzog.

Welche bedeutenden Weichen er zu seiner aktiven Zeit stellte, ist so manchem Amerikaner heute weitgehend unbekannt. Ein Vierteljahrhundert nach seiner Amtszeit sind die Erinnerungen verblasst, zumal heute mit dem Namen des Clans eher die Söhne George W. und Jeb in Verbindung gebracht werden.

Die Bedeutung dieses Politikers, der sich selbst als „Wahrheitssucher“ verstand, lässt sich nur vor dem Hintergrund des Kalten Krieges verstehen. Es zählt wohl zu seinen größten Verdiensten, dass das turbulente und hochnervöse Ende der Sowjetunion letztlich in halbwegs friedlichen Bahnen verlief. Der gelernte Diplomat fand die richtige Tonlage, um seine Gegenspieler im fernen Moskau nicht zu provozieren – und ihnen zugleich diverse Zugeständnisse abzuringen.

Spross einer reichen Ostküstenfamilie

In Bonner Regierungskreisen gab es im Wendewinter 1989/1990 ein geflügeltes Wort: „Michail Gorbatschow lässt die Berliner Mauer fallen. Aber der angenehmste Gesprächspartner unter den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs sitzt in Washington.“ Tatsächlich war es der erfahrene Staatsmann im Weißen Haus, der den Briten, Franzosen und Sowjets und nicht zuletzt den Polen die Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland nahm.

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Dass es der Spross einer reichen Ostküstenfamilie aber ebenso verstand, harte Kante zu zeigen, sollte sich an den militärpolitischen Debatten zeigen: So dürften es vor allem Bush’s Interventionen gewesen sein, die es dem vereinigten Deutschland ermöglichten, Mitglied des transatlantischen Bündnisses zu bleiben. Seiner harten Linie war es ebenso zu verdanken, dass auch die osteuropäischen Staaten unter den Schutzschirm der Nato treten konnten.

Seit der Krim-Annexion Anfang 2014 geistert immer wieder die Mär durch die politischen Debatten, dass der Sowjetunion einst das Versprechen gegeben worden sei, die Nato-Truppen nicht in das Gebiet des früheren Warschauer Paktes vorrücken zu lassen. Tatsächlich aber war es Bush senior gewesen, der entsprechende Forderungen mit einer harschen Bemerkung vom Tisch fegte: „Wir haben gewonnen, sie nicht.“

Seine Entschlossenheit, außenpolitische Konflikte im Zweifelsfall militärisch zu lösen, zeigte sich vor allem 1990: Nachdem der irakische Diktator Saddam Hussein den Nachbarstaat Kuwait überfallen und annektiert hatte, baute die US-Regierung eine Allianz aus 34 Staaten gegen den Aggressor auf. Gestützt auf einen UN-Beschluss setzte sich eine ungeheure Militärmaschinerie in Gang, die Anfang 1991 die Iraker aus Kuwait zurückdrängte.

Enormes Haushaltsdefizit von Reagan übernommen

Der Siegestaumel blieb nicht lange ungetrübt. Auf die Stimmung schlugen unzählige Berichte über US-Veteranen, die nicht verwundet wurden, aber nach ihren Einsätzen über rätselhafte körperliche Leiden klagten. Über das sogenannte Golfkriegssyndrom wird bis heute gestritten. Kamen verbotene Giftstoffe zum Einsatz?

Seine eigentliche Niederlage erlitt der Präsident auf dem Feld der Innenpolitik: Dem moderaten Konservativen wollten die Kompromisse zwischen seiner „Grand Old Party“ und der demokratischen Kongressmehrheit nicht so recht gelingen. Angesichts des enormen Haushaltsdefizits, das er von seinem Vorgänger Ronald Reagan geerbt hatte, entschloss sich Bush zu einer Steuererhöhung – obwohl er damit gegen sein Wahlkampfversprechen verstieß, die Bürger finanziell nicht stärker belasten zu wollen. Angesichts einer sich abkühlenden Binnenkonjunktur sah sein demokratischer Herausforderer Bill Clinton seine Chance gekommen.

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Sechs Kinder mit seiner Jugendliebe Barbara

Als Verlierer wurde Bush dennoch nicht gesehen, nicht einmal von seinen politischen Gegnern. Er stand im Ruf, der letzte Gentleman im Weißen Haus gewesen zu sein. Immerhin blickte der im öffentlichen Auftreten so zurückhaltende Mann auf eine beachtliche Lebensleistung zurück: Über acht Jahre hinweg hatte er Ronald Reagan als Vizepräsident gedient, hatte zuvor lange Jahre in den Diensten der US-Diplomatie gestanden. Respekt genoss er bereits als junger Mann, als er sich nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor freiwillig zum Militärdienst meldete und mit 19 Jahren jüngster Flieger der Marine wurde.

Als hochdekorierter Soldat kehrte Bush nach Amerika zurück, heiratete seine Jugendliebe Barbara und wurde Vater von sechs Kindern. Dank vermögender Eltern und Großeltern hatte die junge Familie sicher bessere Startbedingungen als die meisten Altersgenossen. Den Grundstein seines eigenen Vermögens legte Bush aber durch seinen Wechsel von der Ostküste nach Texas: Fern des Familienclans gründete der frisch gebackene Uniabsolvent eine Ölfirma – und verkaufte sie zehn Jahre später gewinnbringend, um sich ebenso wie sein Vater Prescott in der Politik zu engagieren. Bush wollte sich einen Platz an der Spitze seines Landes erarbeiten. Es ist ihm gelungen.

Von Stefan Koch/RND

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