Eine eiskalte Machtdemonstration mit berechtigten Forderungen
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Streiks sind massive Eingriffe
© Quelle: Uwe Anspach/dpa
Tarifkonflikte sind vor allem in Zeiten der Inflation schwierig zu lösen. Und gerade, wenn es um den Bereich des öffentlichen Dienstes und des Fernverkehrs geht, treffen Streiks die Bevölkerung und Arbeitgeber hart. Das ist politisch von den Gewerkschaften gewollt: Streiks sind auch eiskalte Machtdemonstrationen, die für die Betroffenen zwar ein massiver Eingriff in den Alltag, aber für die Beschäftigten das einzige Mittel sind, um Druck auszuüben.
Inflation trifft Beschäftigte stark
Die Forderungen von Verdi und der EVG – 10,5 Prozent beziehungsweise 12 Prozent mehr Lohn – sind berechtigt. In Nah- und Fernverkehr liegt das Gehalt vieler Arbeitnehmenden im unteren und mittleren Bereich. Die Inflation und massive Preissteigerungen der Lebenshaltungskosten sorgen dafür, dass ein Teil der Belegschaft jeden Cent umdrehen muss. Geld am Ende des Monats zu sparen ist in dieser Situation kaum noch möglich. Das ist nicht nur heutzutage ein Problem, sondern hat Auswirkungen auf die persönliche Vermögensbildung der kommenden Jahre.
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Mehr noch: Die Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind hart. Wertschätzung beispielsweise von den Fahrgästen gibt es kaum. Stattdessen müssen die Beschäftigten mit scharfer Kritik oder gar mit Beschimpfungen zurechtkommen, wenn der Zug zu spät kommt, obwohl sie dafür nicht verantwortlich sind. Ein Gehaltssprung, der die Inflation ausgleicht, ist mehr als angebracht.
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Eine bessere Bezahlung würde zudem das Berufsbild attraktiver machen: Schon jetzt mangelt es an Zugbegleitern und Tramfahrern. Eine höhere, finanzielle Wertschätzung würde zu mehr Bewerberinnen und Bewerbern führen. Ein Ziel, das sich die Nahverkehrsbetriebe und die Deutsche Bahn schon seit langer Zeit auf die Fahnen geschrieben haben – insbesondere weil dem Zugfernverkehr und dem öffentlichen Personennahverkehr eine zentrale Rolle bei der Verkehrswende zukommt. Viel passiert ist dahingehend bisher nicht.
Bei Verdi und EVG spielen Eigeninteressen eine Rolle
Dass sich EVG und Verdi allerdings zusammentun und am gleichen Tag die Arbeit niederlegen, muss man infrage stellen, auch wenn es ihr Recht ist. Hinzu kommt: Die EVG ruft den Warnstreik sogar noch vor der zweiten Verhandlungsrunde aus. Vergessen darf man dabei nicht die politischen Eigeninteressen der Gewerkschaften. Verdi und EVG stehen aufgrund der Inflation und kleinerer Abschlüsse während der Pandemie besonders unter Druck, hohe Tarifeinigungen zu erzielen.
Die Blicke beider Gewerkschaften dürften in Richtung Herbst gehen: Im September treffen sich die Verdi-Delegierten zum Bundeskongress, der alle vier Jahre stattfindet und auf dem sich der Bundesvorstand neu wählen lassen wird. Und die EVG steht in ständiger Konkurrenz zur Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), wenn es um die Gewinnung von Mitgliedern geht. Die GDL führt im Herbst selbst Tarifgespräche mit der Bahn. Für die EVG ist es daher essenziell, dass sie mit einem hohen Abschluss vorlegt. Bei dem Superstreik geht es also nicht ausschließlich um die Beschäftigten, sondern auch um politische Selbsterhaltung.
Nicht jeder wird sich durchsetzen können
Unterschlagen darf man nicht, dass der Spielraum bei der Deutschen Bahn, den weiteren Eisenbahnunternehmen und in den öffentlichen Haushalten nicht besonders groß ist. Es wird für den Bund, die Kommunen und die Konzerne kein Leichtes, die nötigen finanziellen Mittel aufzubringen. Dieser Kraftakt ist gleichwohl wichtig, damit die Arbeitnehmer ihre Lebensstandards halten können.
Die Arbeitgeber sollten ernsthafte Angebote auf den Tisch legen. Alle Tarifpartner sind gefragt, sich kompromissbereit zu zeigen. Denn klar ist: Am Ende werden nicht alle Beteiligten ihre Ziele zu 100 Prozent durchsetzen können.