„Ich werde das hinbekommen“: Bericht zu „Partygate“-Affäre bringt Johnson in Bedrängnis
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Für den britischen Premierminister Boris Johnson könnte die „Partygate“-Affäre das Aus bedeuten.
© Quelle: Getty Images
London. Als sich Boris Johnson am Montag im Parlament präsentierte, um auf das lange erwartete „Update“ durch die Beamtin Sue Gray zu Partys in der Downing Street 10 während des Lockdowns einzugehen, sagte der britische Premierminister, dass es diesmal nicht ausreiche, nur um „Entschuldigung“ zu bitten. Stattdessen müsste man aus dem, was sie herausgefunden hat, lernen: „Ich verstehe das“, und er wolle die nötigen Schritte einleiten, „um das wieder hinzubekommen“. Wie genau, darauf wolle er in den kommenden Tagen eingehen.
Tatsächlich gibt es für den Premier einiges zu tun. Denn Sue Gray lässt keinen Zweifel daran, dass viel schiefgelaufen ist in der Londoner Regierungszentrale und weiteren Ministerien. Sie spricht von „Fehlern der Führung“ und dass „einige der Veranstaltungen nicht hätten stattfinden dürfen“.
Dabei bemängelt sie auch die Kultur in Westminster: „Der übermäßige Konsum von Alkohol ist an einem professionellen Arbeitsplatz zu keiner Zeit angemessen.“ Es müsse sich viel ändern, betont sie – und zwar nicht erst, wenn die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat.
Ermittelt die Polizei auch gegen Johnson persönlich?
Der zwölfseitige Bericht, der seit Montagnachmittag für jeden einsehbar ist, blieb dabei vage, denn vieles, was Sue Gray herausgefunden hat, durfte sie nicht in dem Report nicht erwähnen – wegen der laufenden Ermittlungen zu den Partys durch Scotland Yard.
Was man jedoch erfuhr, ist, dass sie zu insgesamt 16 Partys recherchiert hat, darunter auch Feiern in der persönlichen Wohnung des Premiers. Henry Zeffman von der britischen Tageszeitung „The Times“ schließt daraus, dass auch die Polizei gegen Boris Johnson persönlich ermittelt.
Die Veröffentlichung des Berichtes beendete eine Zeit der Ungewissheit. Denn die Briten mussten vor allem eines zu tun: warten. Warten auf die Veröffentlichungen der Beamtin Sue Gray, die endlich offenlegen sollte, wann, wo und ob der Premier und weitere Regierungsbeamte während des Lockdowns gefeiert hatten – in der Downing Street 10 und anderswo. Denn schließlich war es Boris Johnson, der wochenlang auf ihren Report verwies.
Vor allem jüngere Tories sägen an Johnsons Stuhl
Als Sue Gray den Fall übernahm, wird sie gewusst haben, dass dies ein heißes Eisen ist. Denn schließlich brodelt es schon seit Wochen innerhalb der konservativen Partei. Während die Außenministerin Liz Truss dieser Tage noch zu Boris Johnson hielt, empfinden ihn vor allem jüngere Abgeordnete zunehmend als Belastung angesichts der immer neuen Enthüllungen von Partys im Jahr 2020 zu einer Zeit, als sich das Königreich monatelang im Lockdown befand und sich Briten nur mit einer Person in der Öffentlichkeit treffen durften.
Beobachtern zufolge spitzt sich die Lage für Johnson durch den Report nach einigen Tagen der Entspannung nun wieder zu. Sein Schicksal liege nun in den Händen der konservativen Abgeordneten. Die frühere Premierministerin Theresa May jedenfalls richtete am Montag kritische Worte an Johnson: Ein Premierminister müsse mit gutem Beispiel vorangehen, „wenn es darum geht, die Regeln zu befolgen“.
Sie frage sich, ob er die Regeln nicht kannte oder sich nicht daran gehalten habe. Boris Johnson forderte sie auf, „auf den Abschluss der Untersuchung zu warten“. Viele Tories wollten ihre Entscheidung über ein Misstrauensvotum gegen Johnson von den Ergebnissen des Reports abhängig machen.
Endlich „einen Strich unter die Sache“ ziehen
Vergangene Woche wurde außerdem bekannt, dass Scotland Yard ebenfalls zu Vorwürfen über Feiern in der Downing Street und weiteren Ministerien ermittelt. Dazu bewogen wurde die Polizei offenbar durch Material, das ihnen Gray zugespielt hatte und laut offiziellen Angaben belastend genug gewesen sei, um die Ermittlungen aufzunehmen. Boris Johnson ließ damals durch einen Sprecher verlauten, dass er die Beamten nach Kräften unterstützen wolle, damit man endlich „einen Strich unter die Sache“ ziehen könne.
Für Aufsehen sorgt dabei auch, dass er der erste Premierminister sein könnte, der bei einer möglichen Vernehmung über seine Rechte belehrt werden könnte. Manche Experten im Königreich deuten dies als weiteren Hinweis darauf, dass er nicht etwa als Zeuge, sondern als Verdächtiger befragt wird.
Kann man Johnson einen Verstoß gegen die eigens von seiner Regierung aufgestellten Regeln nachweisen, droht ihm maximal eine Geldstrafe. Politisch gesehen würde die Erkenntnis, dass er tatsächlich gegen Gesetze verstoßen hat, jedoch sein sicheres Aus bedeuten, sind sich viele Beobachter einig. Die Ermittlungen können sich jedoch noch monatelang hinziehen.