Innenministerin Faeser geht voll ins Risiko
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Nancy Faeser will Hessens erste Ministerpräsidentin werden.
© Quelle: Swen Pförtner/dpa
Nancy Faeser vermeidet es, alles auf eine Karte zu setzen und geht dennoch ein hohes Risiko ein. Sie will als SPD-Spitzenkandidatin in Hessen Innenministerin bleiben und nur dann von Berlin nach Wiesbaden wechseln, wenn sie dort Ministerpräsidentin wird. Mit diesem Modell ist der CDU-Politiker Norbert Röttgen vor zehn Jahren in NRW krachend gescheitert. Am Ende war er weder Ministerpräsident noch durfte er sein Amt als Bundesumweltminister behalten. Dieses Drama hat sich in Bund und Ländern als Warnung eingebrannt. Faeser setzt sich mit Rückendeckung von Kanzler Olaf Scholz darüber hinweg. Das unterscheidet sie von Röttgen, der nicht die Rückendeckung der Kanzlerin hatte.
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Im für sie schlimmsten Fall wird Faeser also nach dem 8. Oktober eine Wahlverliererin sein und eine möglicherweise geschwächte Innenministerin bleiben. Im für sie besten Fall erobert sie die Staatskanzlei in Hessen und bringt ihre SPD ein Stück näher an die Vision eines sozialdemokratischen Jahrzehnts heran, die Scholz nach der Bundestagswahl 2021 formuliert hatte.
Ein Thema wird auf der Strecke bleiben
Damit Faeser eine Chance hat, den Umfragerückstand von etwa 5 Prozentpunkten gegenüber der regierenden CDU in Hessen aufzuholen, darf bis Oktober nicht viel passieren – zumindest innenpolitisch nicht. Wenn in die heiße Wahlkampfphase ein Terroranschlag oder eine große Cyberattacke fällt, dann steht die SPD-Politikerin in einer schweren Bewerbungsprobe und kann schlecht mit der politischen Konkurrenz über die Startchancen von Kindern in Hessen oder den ÖPNV dort diskutieren. Das eine oder das andere wird auf der Strecke bleiben. In Zeiten, in denen in der Ukraine Krieg herrscht und Russland auch gegen Europa hybride Angriffe startet, ist das Risiko umso größer.
Faeser hat als Innenministerin bisher eine gute Figur abgegeben. Sie gehört zu den Aktivposten im Kabinett. Nicht alles ist perfekt geglückt – aber sie hat das zuvor von der CSU geführte Haus auf ihre Linie gebracht und packt dringliche Themen wie Fachkräftezuwanderung beherzt an. Umso verstörender ist die Vorstellung, dass diese Innenministerin Teil eines Masterplans ist: auf die bundespolitische Bühne geholt, um ihre Bekanntheit und Beliebtheit zu mehren, womit sie anschließend in den Hessen-Wahlkampf zieht. Eine Regierungspartei sollte es wirklich vermeiden, auch nur in den Verdacht zu geraten, Staatsämter für parteipolitische Zwecke zu nutzen.
Innenministerin Faeser will als SPD-Spitzkandidatin in Hessen antreten
Bundesinnenministerin Faeser will als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Hessen antreten.
© Quelle: Reuters
Von manchem Genossen kommt nun der Hinweis auf Manfred Kanther, der seinerzeit als Innenminister im Kabinett Kohl in den Wahlkampf in Hessen ging und Innenminister blieb, nachdem er die rot-grüne Mehrheit nicht brechen konnte. Dass sich die Sozialdemokraten ausgerechnet die Hessen-CDU der 90er-Jahre zum Vorbild nehmen, wäre dann doch fragwürdig.