Integration und Stoppschild: Giffey auf Sommertour
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/55M3B6RH3XX3FESXVBBWVAUM6Q.jpg)
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) besucht das „Netzwerk Elternbegleitung“ in Neu Isenburg. Das Projekt unterstützt Eltern mit Migrationshintergrund.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Neu-Isenburg. Die Hessen haben seit 2015 rund 700 Flüchtlinge aufgenommen, erzählt der parteilose Bürgermeister Herbert Hunkel (73). Die Integration sei kein Problem, meint er. Alle Bürger stünden dahinter. „Wir schaffen das“, sagt Hunkel in Anlehnung an ein Zitat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Seinen Thüringer Amtskollegen Hubert Böse, ebenfalls parteilos, treiben hingegen Auseinandersetzungen mit Nazis um, die alljährlich im 2800-Einwohner-Dorf die bundesweit größten Rechtsrock-Festivals mit bis zu 6000 Teilnehmern (2017) organisieren. Angesichts begrenzter rechtsstaatlicher Mittel gegen diese Events hegt Böse (65) so seine Zweifel, ob Bürger-Engagement und Proteste ausreichen, die rechten Geister zu vertreiben.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bewegt sich gern zwischen solchen Polen. Sie will auf ihrer Sommertour durch Hessen, Thüringen, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt herausfinden, wo die Säge klemmt, wenn es um Demokratieförderung und politische Bildung geht. Gerade vor dem Eindruck der Ereignisse im sächsischen Chemnitz scheinen die Verhältnisse in Neu-Isenburg paradiesisch zu sein. Im Familienzentrum treffen sich Deutsche mit oder ohne Migrationshintergrund und Flüchtlinge, um gemeinsam Kinder zu betreuen, Deutsch zu lernen oder einfach nur auf einen Kaffee. Giffey ist begeistert: „Integration durch Normalität, anders wird das auch nichts.“
Giffeys Integrationspolitik: „ausgestreckte Hand und Stoppschild“
Die 40-Jährige ist schon seit ihrer Zeit als Neuköllner Bezirksbürgermeisterin nicht unumstritten in ihrer Partei. Ihre Integrationspolitik bringt sie immer ganz knapp auf den Punkt – „ausgestreckte Hand und Stoppschild“.
In Themar erodiert die Gesellschaft gerade. „Flüchtlinge haben wir hier keinen einzigen, dafür kamen 15 000 Nazis in den vergangenen 18 Monaten“, berichtet Bürgermeister Böse der Ministerin. Er fühlt sich alleingelassen. „Nach Chemnitz schauen nun alle, aber hier vernetzen sie sich. Hier beginnt alles.“ Giffeys Ministerium unterstützt die umliegenden Bündnisse für Demokratie finanziell, damit diese Gegenangebote machen können. „Wir schauen nicht weg, wir unterstützen sie“, sagt die Ministerin. Der Bürgermeister lächelt milde.
Heute früh will Giffey nach Chemnitz reisen – als erste Vertreterin der Bundesregierung, die sich sechs Tage nach dem Tod eines Deutsch-Kubaners und den anschließenden Jagdszenen auf Flüchtlinge vor Ort blicken lässt. Am Mittwoch hatte sie im Kabinett gesagt, da müsse doch jemand hin, und sich sofort selbst vorgeschlagen. Die Kabinettskollegen nahmen dies dankbar an.
Von Thoralf Cleven