Zweiter Demonstrant nach Protesten im Iran hingerichtet
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Menschen protestieren gegen die Hinrichtung eines Demonstranten im Iran.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
Teheran. Im Iran ist nach Angaben der Staatsmedien ein zweiter Demonstrant im Zuge der systemkritischen Proteste hingerichtet worden. Der wegen „Kriegsführung gegen Gott“ angeklagte Madschid-Resa R. wurde am Montag in der Stadt Maschad im Nordosten des Landes öffentlich gehängt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna.
Der Mann soll während der Proteste im November zwei Mitglieder der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer getötet und vier weitere verletzt haben. Das Gericht hatte ihm „Kriegsführung gegen Gott“ vorgeworfen und gemäß islamischer Rechtsauffassung zum Tode verurteilt.
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Der 23-jährige Madschid-Resa R. war nach Angaben auf Mizan am 17. November verhaftet worden. Innerhalb von 26 Tagen wurde er angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Mann wurde offenkundig als Warnung an andere auf einem Baukran aufgehängt, wie in Bildern der staatlichen Medien zu sehen war. Einen rechtlichen Beistand hatte er Online-Berichten zufolge nicht.
EU-Außenminister planen Sanktionen
Die EU-Außenminister haben am Montag in Brüssel mit Bestürzung auf die Hinrichtung reagiert. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte mit, er habe mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian über die Reaktion der Regierung in Teheran auf die Proteste und die jüngste Hinrichtung gesprochen.
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„Jetzt ermorden sie ihn“
Der Deutsche Jamshid Sharmahd sitzt seit mehr als zwei Jahren im Iran in Haft. Jetzt droht ihm die Todesstrafe. Politische Gefangene wie ihn nutzt das Regime als Druckmittel gegen den Westen. Trotz aller Angst um sie fordern ihre Angehörigen von Deutschland deutlichere Worte.
Es sei kein einfaches Gespräch gewesen, sagte er. Es wurde erwartet, dass die EU-Außenminister am Montag weitere Sanktionen gegen den Iran verhängen würden. „Wir werden ein sehr, sehr hartes Paket von Sanktionen verabschieden“, sagte Borrell bei seiner Ankunft zu dem Ministertreffen.
Auslöser der Strafmaßnahmen sind nicht nur die brutale Niederschlagung der Proteste gegen die Regierung, sondern auch die Lieferung von Drohnen an Russland für den Einsatz in der Ukraine. Der finnische Außenminister Pekka Haavisto sagte, er habe ebenfalls mit seinem iranischen Kollegen telefoniert.
Baerbock: Sanktionen sollen Verantwortliche für Hinrichtungen treffen
Die geplanten EU-Sanktionen gegen den Iran sollen nach Angaben von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Verantwortliche für die jüngsten Hinrichtungen treffen. Das Sanktionspaket richte sich insbesondere gegen diejenigen, die für „diese unglaublichen Verbrechen“ verantwortlich seien, sagte die Grünen-Politikerin am Montag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel. Das seien insbesondere die Revolutionsgarden, aber auch diejenigen, die versuchten, mit gewaltsam erzwungenen Videos Menschen einzuschüchtern oder weiter zu bestrafen.
Die Hinrichtungen bezeichnete Baerbock als unverhohlenen Einschüchterungsversuch gegen Menschen, die ihre Meinung auf die Straße tragen. Sie seien ohne einen fairen Prozess erfolgt.
Das neue EU-Sanktionspaket soll im Laufe des Außenministertreffens bis zum Abend beschlossen werden. Zudem ist eine Erklärung zu den aktuellen Ereignissen im Iran geplant.
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen).
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Wut und Empörung nach Hinrichtung
Im Iran löste die Nachricht landesweit Empörung und Wut aus. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ oder „Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen“ waren wütende Reaktionen der Systemgegner in sozialen Medien. Die regierungsnahe Tageszeitung „Resalat“ schrieb hingegen: „Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger“.
Eine weitere Hinrichtung wurde Medienberichten zufolge vorläufig verschoben. Der ebenfalls wegen „Kriegsführung gegen Gott“ verurteilte Mahan S. sollte demnach am Sonntag im Radschaei-Schahr Gefängnis westlich der Hauptstadt Teheran gehängt werden. Der 23-Jährige soll während der Proteste ein Basidsch-Mitglied mit einem Messer verletzt und dessen Motorrad angezündet haben.
„Basidschis“ gehen brutal gegen Demonstranten vor
Die „Basidschis“, freiwillige Milizen der iranischen Revolutionsgarden, werden im Iran unter anderem zur Unterdrückung von Protesten eigesetzt. Sie gelten als die treuesten Anhänger des Systems, von denen gesagt wird, sie seien bereit, ihr Leben als Märtyrer zu opfern.
Auch bei den jüngsten Protesten gingen die Basidschis laut Augenzeugen gegen die Demonstranten äußerst brutal vor. Daher richten sich die Wut und Aggressionen der Demonstranten insbesondere gegen die Basidsch-Milizen. Unter den in den vergangenen zehn Wochen im Zusammenhang mit den Demonstrationen ums Leben gekommenen Polizei- und Sicherheitskräften sollen sich vor allem Basidschis befinden.
Neuwahlen sollen Krise im Land beenden
Moderate Kreise im Land warnen vor einer weiteren Eskalation und fordern unter anderem Neuwahlen, um die politische Krise im Land friedlich zu beenden. Für sie sind Präsident Ebrahim Raisi, seine Regierung sowie die Hardliner im Parlament und in der Justiz nicht mehr tragbar. Beobachtern zufolge rückt eine derartige Option nach der Hinrichtung des zweiten Demonstranten und der voraussichtlichen Vollstreckung weiterer Todesurteile allerdings in weite Ferne.
Am vergangenen Donnerstag war erstmals seit Beginn der systemkritischen Massenproteste ein Demonstrant hingerichtet worden. Der Rap-Musiker Mohsen S. soll ein Basidsch-Mitglied mit einer Waffe angegriffen, Schrecken verbreitet und eine Straße blockiert haben.
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Seine Hinrichtung wurde im In- und Ausland scharf verurteilt.
Iranische Aktivisten: Fast 500 Tote seit Beginn der Proteste
Aktivisten warnen, dass weitere Hinrichtungen folgen könnten. Bislang seien mindestens ein Dutzend Menschen wegen ihrer Beteiligung an den Demonstrationen hinter verschlossenen Türen zum Tode verurteilt worden. Insgesamt stehen Medienberichten zufolge mindestens 25 Demonstranten auf der Todesliste der iranischen Justiz.
Mindestens 488 Menschen wurden seit Beginn der Demonstrationen nach Angaben iranischer Menschenrechtsaktivisten getötet. Weitere 18.200 Menschen wurden festgenommen.
Heftige Ausschreitungen bei Protesten im Iran halten an
Erneut Ausschreitungen im Iran: Bilder zeigen Proteste in Fuladshahr, Chomein und Teheran. Auch das Haus des Republikgründers Khomeini soll gebrannt haben.
© Quelle: Reuters
Auslöser der landesweiten Proteste war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war.
Während inzwischen nach Angaben von Menschenrechtlern mehr als 475 Demonstranten getötet wurden, geht auch die Justiz mit hartem Kurs gegen Protestteilnehmer vor. Immer wieder werden sie von der Staatsführung als Terroristen oder Krawallmacher bezeichnet.
RND/AP/dpa