Italiens Regierung erwägt Einführung einer allgemeinen Impfpflicht
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Mario Draghi, Ministerpräsident von Italien, spricht vor dem Senat in Rom (Archivbild).
© Quelle: Yara Nardi/Reuters Pool/AP/dpa
Rom. „Die Frage ist nicht, ob die Pflicht, den ‚Green Pass‘ vorzuweisen, ausgedehnt wird – die Frage ist lediglich noch, wann das erfolgt und für wen er ebenfalls obligatorisch wird“, erklärte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi an einer Pressekonferenz in Rom.
Draghi ließ auch keine Zweifel daran aufkommen, dass sein Ziel darin bestehe, dass am Ende die gesamte Bevölkerung immunisiert wird: Auf die Frage eines Journalisten, ob er für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht sei, antwortete der ehemalige EZB-Präsident unmissverständlich mit „Ja“. Dies sei der Weg, den die Regierung einschlagen werde, sobald die europäische Arzneimittelbehörde den heute verwendeten Impfstoffen ihre definitive und nicht nur provisorische Zulassung erteile.
Draghi bricht Tabu
Die Ankündigung Draghis war ein Tabubruch, der in den meisten europäischen Ländern einen öffentlichen Aufschrei ausgelöst hätte. In Italien haben lediglich die an der Regierung beteiligte rechtsnationale Lega von Matteo Salvini und die postfaschistische Oppositionspartei Fratelli d‘Italia Kritik geübt. Doch die beiden Rechtsaußenparteien sind in dieser Frage völlig isoliert: Die Impfbereitschaft in Italien, das bereits über 130.000 Covid-Tote verzeichnete, ist sehr hoch. 71 Prozent der 60 Millionen Italiener haben inzwischen mindestens eine Impfdosis erhalten; bis Ende September werden es laut Draghi 80 Prozent sein. In Umfragen geben 90 Prozent der Befragten an, sich impfen lassen zu wollen.
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Wie die von Draghi in Aussicht gestellte allgemeine Impfpflicht konkret aussehen soll, wird die Regierung nächste Woche beraten. Es ist davon auszugehen, dass es sich nicht um einen eigentlichen Impfzwang handeln wird, sondern um eine Zertifikatspflicht. Das heißt: Wer nicht schon geimpft oder von Covid genesen ist und sich weiterhin partout nicht impfen lassen will, der erhält den „Green Pass“ auch mit einem negativen Testresultat, das alle paar Tage auf eigene Kosten erneuert werden muss. Die „Green Pass“-Pflicht besteht seit August für die Innengastronomie, Museums- und Stadionbesuche, Konzerte und Fitnesscenter; am vergangenen Mittwoch wurde sie auf überregionale Züge, Schiffe, Fähren und Flugzeuge ausgedehnt.
Zertifikatspflicht gilt auch für Schulpersonal
Die Zertifikatspflicht gilt auch bereits für das gesamte medizinische Personal und neuerdings auch für das Schulpersonal. Auch bei den Lehrkräften ist die Akzeptanz groß: 91,5 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer sind laut dem Bildungsministerium bereits mindestens einmal geimpft (was für den „Green Pass“ reicht), unter den restlichen 8,5 Prozent befinden sich viele Genesene und Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können und von der Impfpflicht deshalb ausgenommen sind.
Der Prozentsatz der überzeugten Impf- und Testverweigerer ist also verschwindend klein. Die Sanktionen für sie sind hart: Ein Lehrer oder ein Abwart, der sich ohne Zertifikat in der Schule präsentiert, wird umgehend wieder nach Hause geschickt. Nach fünf Tagen wird er suspendiert und die Lohnzahlung ausgesetzt.
Einen wichtigen juristischen Prüfstand hat die Zertifikatspflicht bereits überstanden: Am Donnerstag hat das Verwaltungsgericht von Rom die Beschwerde einer Lehrergewerkschaft abgewiesen. Das Obligatorium für den „Green Pass“ sei im Rahmen der Bekämpfung einer gefährlichen Epidemie verhältnismäßig und für den Einzelnen zumutbar, begründeten die Richter ihren Entscheid. Zumutbar sei es auch, dass die Impfverweigerer die Covid-Tests aus der eigenen Tasche bezahlen müssten: Es sei nicht einzusehen, warum die Steuerzahler für die Tests von Personen aufkommen sollen, die freiwillig auf die Gratisimpfung verzichteten.
Die Zertifikatspflicht soll nun schrittweise auf immer neue Berufsgruppen ausgeweitet werden, insbesondere auf jene des öffentlichen Dienstes. Angestrebt wird die Impfpflicht aber auch für private Arbeitsplätze; entsprechende Verhandlungen zwischen der Regierung, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften sind seit Längerem im Gang. Für den Besuch von Kantinen in öffentlichen und privaten Unternehmen und für die Mensen an den Universitäten gilt sie bereits: Diese Verpflegungsstätten für Arbeitnehmer und Studierende werden damit gleich behandelt wie die Innengastronomie.