Johnson-Besuch bei Biden: Zufriedenheit über U-Boot-Bündnis, Differenzen bei Freihandelsabkommen

US-Präsident Joe Biden und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson bei einem Treffen im Oval Office des Weißen Hauses.

US-Präsident Joe Biden und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson bei einem Treffen im Oval Office des Weißen Hauses.

Washington. Boris Johnson bemüht den Zug. Der britische Premier ist mit dem Amtrak-Zug von New York nach Washington gereist, um dort im Weißen Haus den US-Präsidenten zu treffen. Joe Biden kennt den Zug gut, er ist darin jahrzehntelang zwischen der US-Hauptstadt und seiner Heimat Delaware gependelt, erst als Senator, später als Vizepräsident. Bidens Amtrak-Liebe ist weithin bekannt. So hat der Brite, der demnächst eine Weltklimakonferenz in Glasgow zu bestreiten hat, den Trip von der UN-Generalversammlung zu Biden auf der Schiene angetreten - dem Klima und dem Präsidenten zuliebe. Angekommen im Oval Office schmeichelt der Brite seinem Gastgeber. Biden sei für die Bahn-Mitarbeiter sowas wie ein Gott: „Die lieben dich.“ Und Biden nutzt die Vorlage, um eine seiner Bahn-Anekdoten zu erzählen.

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Johnson bemüht sich um Überschwang bei dem Treffen. Das Wort „fantastisch“ bringt er bei den kurzen Eingangsstatements mit Biden gleich drei Mal unter. Dabei sah es zwischenzeitlich so aus, als müsste Johnson bei seinem Besuch im Weißen Haus die Scherben der einst so „speziellen Beziehung“ zwischen den USA und Großbritannien aufkehren. Der chaotische Abzug der US-geführten Koalition aus Afghanistan hatte in London zu Zorn und Unverständnis geführt. Doch rechtzeitig zu Johnsons Antrittsbesuch bei Biden ist die „special relationship“ zurück. Allerdings hat die neue Hochstimmung zwischen Washington und London ihren Preis.

U-Boot-Deal: Biden und Johnson lassen Zerwürfnis mit EU-Partnern unerwähnt

Vor einer Woche verkündeten Biden und Johnson gemeinsam mit dem australischen Regierungschef Scott Morrison überraschend einen neuen Sicherheitspakt im Indopazifik. Der Plan sieht unter anderem vor, Australien beim Bau von U-Booten mit Nuklearantrieb zu unterstützen. Die Reaktionen: verheerend. Frankreich schäumt vor Wut, weil dem Land dadurch ein milliardenschwerer U-Boot-Deal mit Australien entglitten ist. Andere europäische Staaten und EU-Vertreter fühlen sich ebenfalls vor den Kopf gestoßen und zeigen sich solidarisch mit Paris. Diplomatische Gespräche und Veranstaltungen wurden abgesagt, die französischen Botschafter vorerst aus den USA und Australien nach Frankreich zurückbeordert. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian schimpfte laut und ganz undiplomatisch über das „brutale“ Vorgehen der Partner, das quasi einem „Dolchstoß“ gleichkomme.

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Biden und Johnson erwähnen diese Verwerfungen bei ihrer Zusammenkunft im Weißen Haus nicht. Johnson sagt vielmehr, das neue Bündnis habe das Potenzial, die Sicherheit der ganzen Welt zu verbessern. Beide scheinen entschlossen, bei dem Treffen positive Signale auszusenden.

Johnson lobt Beziehungen zu USA

Der US-Präsident hatte Johnson schon vorab beglückt: Einen Tag vor dessen Besuch kündigte die US-Regierung an, ab November voll geimpfte Reisende aus Großbritannien, der EU und anderen Staaten wieder ins Land zu lassen. „Fantastisch“, befindet Johnson. Er hatte die Lockerungen seit langem gefordert. Wenige Stunden vor dem Treffen mit Johnson verkündete Biden dann noch, die USA wollten ihre Klimahilfen für ärmere Länder verdoppeln. Johnson dürfte das als Gastgeber der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow im November ein wenig Hoffnung geben, dass die Beratungen dort nicht kolossal scheitern. Auch das nach Meinung des Briten daher: „fantastisch“.

Johnson überschlägt sich plötzlich mit Lob. Die Beziehungen seien so gut wie seit Jahrzehnten nicht, erzählt der Premier den mitreisenden Reportern auf seinem USA-Trip. Biden sei großartig. Bereits beim G7-Gipfel im englischen Cornwall im Juni war zu sehen gewesen, dass die beiden besser klarzukommen scheinen als erwartet.

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Biden und Johnson unterschiedliche Typen

Die britische konservative Wochenzeitschrift „Spectator“ tauft Johnson schon kühn den „Mini-Biden“. Ausgerechnet den Mann also, der zuvor als „britischer Trump“ betitelt wurde. Auch Biden hatte Johnson in der Vergangenheit als „physischen und emotionalen Klon“ des früheren US-Präsidenten Donald Trump bezeichnet. Einige Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen Johnson und Trump lagen auf der Hand: etwa ihre Unberechenbarkeit, ihr Hang zu Provokation und Populismus.

Biden und Johnson dagegen sind sehr unterschiedliche Typen, politisch wie auch persönlich. Und unter der Oberfläche der Rückbesinnung auf die „spezielle Beziehung“ beider Länder lauern weiter Probleme. Afghanistan ist nur eines davon. „Ja, vielleicht“ hätte man den Truppenabzug anders regeln können, sagte Johnson vorab in einem Interview des US-Senders NBC. Aber größtenteils zeigte er da nun Verständnis für Biden, der nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul fast zwei Tage lang keinen Bedarf gesehen hatte, sich mit anderen Staats- oder Regierungschefs über das weitere Vorgehen abzustimmen. Auch nicht mit Johnson, der britischen Medien zufolge 36 Stunden lang verzweifelt versuchte, den US-Präsidenten ans Telefon zu bekommen.

Biden ohne Interesse an Freihandelsabkommen mit Großbritannien

Schon vor seinem Amtsantritt hatte Biden häufig den von Johnson vorangetriebenen Brexit kritisiert. Später ermahnte die Biden-Regierung dann, der britische Premier möge sich zu den Abmachungen bekennen, die er wegen des EU-Austritts mit Brüssel getroffen hatte. Daran erinnert Biden seinen Gast auch beim persönlichen Besuch im Oval Office sanft.

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Der US-Präsident hat bislang außerdem kein Interesse daran erkennen lassen, ein von Johnson sehnlich erhofftes Freihandelsabkommen - eines der Hauptargumente für den Brexit - voranzubringen. Der Präsident habe halt viele Baustellen, sagte Johnson dazu vorab fast kleinlaut. Im Oval Office betont der britische Gast dann, man habe dafür an anderer Stelle Fortschritte gemacht, etwa mit Blick auf Strafzölle. Das Wort „fantastisch“ fällt an dieser Stelle nicht.

Inzwischen sieht es so aus, als hätten die Briten hier bereits die Hoffnung aufgegeben und sähen sich nach Alternativen um: Am Tag nach Johnsons Besuch berichten britische Medien, London strebe nun einen Beitritt zum nordamerikanischen Handelsabkommen USMCA zwischen den USA, Kanada und Mexiko an. Zumindest in Handelsfragen sei der Besuch in Washington für Johnson ein Rückschlag gewesen.

RND/dpa

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