Junger Landwirt: “Hähnchen für 1,39 Euro – eine Unverschämtheit”
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/5M5ZULXTQ5GOZDZ2XEEPEWGVOI.jpeg)
Landwirt Jan Ernst (26) engagiert sich als „Agrar-Scout“ – ein Projekt des Vereins Forum Moderne Landwirtschaft.
© Quelle: Forum Moderne Landwirtschaft
Plön. Jan Ernst, 26, vom Hof Petersberg in Tröndel in Schleswig-Holstein arbeitet auf einem Milchviehbetrieb, der auch Kühe zur Schlachtung verkauft. Am Fleisch verdienen der Viehhändler, der Schlachthof, der Spediteur und der Lebensmitteleinzelhandel, sagt Ernst. Daher sei es eine Unverschämtheit, dass der Einzelhandel Werbung mit Fleisch zu Spottpreisen macht.
Im Bundeskanzleramt wurde am gestrigen Montag über den Preis der Lebensmittel in Deutschland verhandelt – auch als Reaktion auf die wiederkehrenden Bauernproteste. Wollen Sie den Deutschen das Fleisch verteuern?
Aus Sicht eines Landwirts kann der Preis natürlich nicht hoch genug sein. Aber es ist schon eine ziemliche Unverschämtheit vom Lebensmitteleinzelhandel, mit Hackfleisch oder auch Schweinenacken für 2,59 Euro zu werben – oder Hähnchen für 1,39 Euro anzubieten. Bei diesen Preisen dürfen sich die Leute auch nicht wundern, wenn die Tierwohlstandards nicht ihren Vorstellungen entsprechen.
Was bereitet Ihnen die größte Sorge?
Dieser ewige Preiskampf, wer liefert mir am billigsten Fleisch, ist einfach nicht gut. Die Preise werden oft europaweit vom Einzelhandel ausgeschrieben – dann wird das mit dem Qualitätsstandard schwierig. Denn wenn Fleisch aus Polen oder Tschechien gekauft wird, sind die Tierwohlstandards einfach nicht wie bei uns und natürlich können die ihr Fleisch günstiger anbieten.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/J2DW3R4KQJEVPHUH5RARVDU3VU.jpg)
Angela Merkel (l.) traf sich mit der Lebensmittelwirtschaft im Bundeskanzleramt. Dabei war auch auch Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
© Quelle: imago images/Christian Spicker
Kann die Politik da überhaupt weiterhelfen – womöglich sogar mit Gesetzen?
Wir sollten nicht zurück zur Planwirtschaft. Es ist auch nicht gesund, wenn der Staat zu sehr einschreitet. Aber das bedeutet auch, dass wir einheitliche Produktionsstandards in ganz Europa haben müssen, die gleich kontrolliert und gleich sanktioniert werden. Dann hätten wir einen fairen Markt. Wenn die Tierwohlstandards in Deutschland anders gehandhabt werden als in Litauen oder in den Niederlanden, dann führt das zu einer Wettbewerbsverzerrung.
Was wünschen Sie sich vom Lebensmittelhandel?
Es ist nicht in Ordnung, mit Lebensmitteln Spottpreiswerbung zu machen. Es wäre ja schon einmal ein Anfang, das zu ändern. Der Einzelhandel könnte ja auch Werbung mit Putzmitteln machen. Da freuen sich vielleicht nicht die Putzmittelhersteller, aber die haben auch nicht den ethischen Hintergrund wie wir mit unseren Produkten. Die Händler sollten von sich aus darauf kommen, dass das nicht zu der aktuellen Diskussion über Tierwohl passt, Kunden mit solcher Werbung zu locken.
Wer verdient alles am Fleisch mit?
Wenn wir eine Kuh der Schlachtung zuführen wollen, rufen wir beim Viehhändler an. Der informiert sich morgens über die Kurse der Schlachthöfe, sammelt das Tier hier ein und fährt es noch am selben Tag zum passenden Schlachthof. Ein unabhängiger Qualifizierer, der beim Land angestellt ist, prüft dort die Qualität des Fleisches. Die Schlachthöfe veräußern das Fleisch dann an den Lebensmitteleinzelhandel. Die Preise werden zwischen Schlachthof und Handel meist wöchentlich verhandelt und der Handel nimmt in der Regel den niedrigsten Preis – außer es geht um spezielle Qualitätsprogramme, an denen man auch teilnehmen kann. Die Schlachthöfe fahren das Fleisch dann über Subunternehmer in die jeweiligen Zentrallager der Einzelhändler und von dort aus kommt es in die Filialen – und zum Kunden. Da jede Kuh anders ist, verdient der Landwirt auch pro Tier sehr unterschiedlich. Das können mal 700 Euro sein, mal aber auch nur 200 Euro.