Kavanaugh-Berufung: Amerika tief gespalten

Richter Brett Kavanaugh (Mitte) legt seinen Amtseid vor dem Vorsitzende Richter John Roberts (rechts) im Supreme Court ab, seine Frau Ashley Kavanaugh hält die Bibel. Im Vordergrund stehen ihre Töchter Margaret (links) und Liza.

Richter Brett Kavanaugh (Mitte) legt seinen Amtseid vor dem Vorsitzende Richter John Roberts (rechts) im Supreme Court ab, seine Frau Ashley Kavanaugh hält die Bibel. Im Vordergrund stehen ihre Töchter Margaret (links) und Liza.

Washington. „Schämt euch, schämt euch“, rufen die Demonstranten, als sie in Plastikhandschellen von der Polizei aus dem Kongress abgeführt werden. Mehrere Dutzend Frauen und Männer hatten sich als unbeteiligte Besucher ausgegeben, um direkt im Parlamentsgebäude gegen eine der umstrittensten Entscheidungen der vergangenen Jahre zu protestieren. Draußen, direkt vor dem Kongressgebäude, werden die Festgenommenen unter dem Jubel von mehreren hundert Gleichgesinnten empfangen, die von der Polizei nur mit Mühe zurückgedrängt werden. Unweit des Parlamentshügels war die Menge der Regierungskritiker zu diesem Zeitpunkt bereits auf mehrere tausend angewachsen. „Wir sind eure Wähler! Glaubt den Überlebenden!“, skandieren mehrere Gruppen. Und immer ist „Stoppt Kavanaugh, stoppt Kavanaugh“ zu hören.

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Doch die Wut und Empörung helfen an diesem mit Spannung erwarteten Tag nicht weiter: Mit einem der engsten Ergebnisse, das jemals in der amerikanischen Geschichte bei der Berufung eines Richters zum "Supreme Court" erzielt wurde, stimmt der Senat dem Wunschkandidaten des Präsidenten schließlich zu: 50 Senatoren - einschließlich des Vizepräsidenten Mike Pence - votieren für Kavanaugh, 48 gegen ihn. Entgegen der Parteilinien enthält sich die gemäßigte Republikanerin Lisa Murkowski ihrer Stimme, und der konservative Demokrat Joe Manchin aus West Virginia stimmt für ihn. Der Republikaner Steve Daines blieb der Abstimmung fern, da seine Tochter an diesem Tag im fernen Montana heiratet.

Bereits wenigen Minuten nach der Abstimmung äußert sich Trump begeistert und sagt, dass der Richter eine „großartige“ Leistung für das Land erbringen werde. Die bevorstehenden Kongresswahlen fest im Blick, teilte Trump erwartungsgemäß gegen die Demokraten und deren Widerstand gegen Kavanaugh aus. Sie seien ein „wütender linker Mob“, beklagte er.

Demokratische Senatoren: Kavanaugh habe Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt

Mehrere Senatoren der Demokratischen Partei wie Chuck Schumer sprechen dagegen von einer dunklen Stunde, da das Nominierungsverfahren nicht den Ansprüchen des modernen Amerikas entspreche. Auch hatten mehr als 1000 Rechtsprofessoren in einem offenen Brief die Qualifikation des Kandidaten in Frage gestellt.

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Für Empörung sorgt insbesondere der Umgang mit den Vorwürfen von Christine Blasey Ford. Die renommierte Psychologieprofessorin aus Kalifornien wirft Kavanaugh eine versuchte Vergewaltigung vor. Zu High-School-Zeiten sei sie von ihm und einem weiteren Bekannten am Rande einer Party in ein Schlafzimmer eingeschlossen und auf ein Bett gedrückt worden. Kavanaugh habe sich auf sie geworfen und versucht, ihr die Kleidung herunterzureißen. Erst im letzten Moment sei ihr die Flucht gelungen. Die Erinnerung an den schrecklichen Abend habe sich in ihr Gedächtnis eingebrannt und sie ein Leben lang belastet. Erst seit wenigen Jahren sei sie in der Lage, über das traumatische Erlebnis zu sprechen, sagte die 51-Jährige.

Fords Aussagen vor dem Justizausschuss wurden im Fernsehen live übertragen und allgemein als glaubwürdig eingestuft. Die zuständigen Senatoren und auch Trump stimmten anschließend zwar einer Untersuchung durch das FBI zu, allerdings wurde der Bundespolizei eine Frist von sieben Tagen gesetzt, in der die Ermittler weder Ford, noch Kavanaugh und auch nicht die Zeugen verhörte, die von anderen Frauen empfohlen wurden.

Erhebliche Zweifel an der Qualifikation des Kandidaten meldeten mehrere oppositionelle Senatoren auch nach dessen öffentlichem Auftritt - unmittelbar nach Fords Aussage - an: Der Richter habe sich zu schweren Vorwürfen gegen die Demokratische Partei hinreißen lassen und sogar Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt.

„Mit dem Streit um das Richteramt bescheren uns die Demokraten ein großes Geschenk“

Viele Frauen, die am Wochenende in Washington demonstrierten, zeigten sich denn auch sichtlich verbittert über den Umgang mit der kalifornischen Professorin und jubelten später am Abend Elizabeth Warren zu. Die Senatorin aus Massachusetts mischte sich nach der Abstimmung unter die Demonstranten und rief: „Ich habe die Anhörung genauestens verfolgt. Es geht allein um die Macht. Ich sah elf Männer, mächtige Männer, die einem anderen Mann in eine machtvolle Position verhelfen wollten. Ich bin wütend im Namen all der Frauen, die wieder und wieder zurückgesetzt werden.“

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Unzählige Demonstranten gehen an diesem Sonnabend spontan auf die Straße, andere sind den Aufrufen von Nichtregierungsorganisationen wie „Women’s March“, „Demand Justice“ und „American Civil Liberties Union“ gefolgt, die seit Tagen Protestzügen in diversen Bundesstaaten organisieren.

So ist Ruth Ludwig eigens aus Richmond, Virginia, angereist, um gegen die Entscheidung zu protestieren: „Früher ging ich gegen den Vietnam-Krieg auf die Straße. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich noch als Rentnerin schimpfend vor dem Kongress stehen müsste, um gegen die anhaltende Frauenfeindlichkeit anzukämpfen.“

Die Demonstranten in Washington finden an diesem Wochenende einen enormen Widerhall in den US-Medien, allerdings führt das Ringen auf Seiten der Republikaner ebenfalls zu unerwarteten Reaktionen: Laut jüngster Umfragen von NPR/PBS mobilisiert die Auseinandersetzung um Kavanaugh die konservative Basis mehr als jede andere Streitfrage der vergangenen Monate. Anders als im Frühjahr oder im Sommer schätzen viele Republikaner die Zwischenwahlen am 6. November mittlerweile als "überaus bedeutsam" ein. Mitch Mc Connell, Fraktionschef der Republikaner im Senat, gab am Sonnabend gegenüber mehreren Washingtoner Journalisten denn auch ganz offen zu: "Mit dem Streit um das Richteramt bescheren uns die Demokraten ein großes Geschenk." Die Anhänger der GOP seien nun motivierter denn je, im November zur Wahl zu gehen.

Von Stefan Koch/RND

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