Klimaticket und Co: Ist das neue Österreich Vorbild für Deutschland?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MQFPYIYHFBEENGFKDUDY5O6KHA.jpg)
Grüne Idylle: Der Blick von der Sonnenalm in Richtung Dachstein Gletscher in Oberösterreich.
© Quelle: picture alliance
Berlin/Hannover. Die Regierung aus Konservativen und Grünen in Österreich hat sich für die kommenden Jahre auf eine ökosoziale Steuerreform geeinigt. Herzstück der Reform soll eine CO₂-Bepreisung als Anreiz für umweltfreundliches Verhalten sein. Die Bepreisung des CO₂-Ausstoßes soll ab 2022 zunächst bei 30 Euro pro Tonne liegen und in den Folgejahren ansteigen. Im Gegenzug soll es finanzielle Erleichterungen in Form eines „Klimabonus“ für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen geben.
Zudem soll die Einkommensteuer für mittlere und hohe Einkommen sinken, nachdem im vergangenen Jahr bereits niedrige Einkommen entlastet wurden. Auch ein Familienbonus ist geplant. „Wir haben uns entschieden, eine ökologische Trendwende einzuleiten“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dazu gehört auch ein Klimaticket in Österreich: Für 1095 Euro im Jahr können Österreicher durch das ganze Land mit der Bahn fahren.
Ist Österreich ein Vorbild für Deutschland?
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hält die Einführung eines Klimatickets für sinnvoll. Das Klimaticket könne Vorbild für Deutschland sein, weil dies den ÖPNV stärke und finanziell attraktiv machte. Auch die Erhöhung des CO₂-Preises hält sie für sinnvoll, kritisiert aber: „In Deutschland müssten wir bei 80 Euro pro Tonne CO₂ starten und bis 2030 auf 180 Euro erhöhen“, sagt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Den CO₂-Preis von 30 Euro pro Tonne halte sie in Österreich für viel zu gering, um eine Lenkungswirkung im Verkehrssektor zu erzielen.
Auch der WWF fordert eine Erhöhung des CO₂-Preises in Deutschland und Österreich. Matthias Kopp, Mitglied im Beirat „Nachhaltige Finanzen“ der Bundesregierung und Leiter der gleichnamigen WWF-Abteilung, spricht sich für eine Verbindung von Klimawende und Steuersystem aus.
„Steuern und CO₂-Bepreisung, Umlenkung von klimaschädlichen Subventionen in klimafreundliche Lösungen, klare Kriterien für Investitionen und Förderprogramme – das alles muss zusammengedacht werden“, sagt er dem RND. Wenngleich Österreich kein direktes Vorbild für Deutschland sein könne, so müsse auch Deutschland in den nächsten vier Jahren sein Steuersystem systematisch mit der Klimatransformation verbinden.
Klimabonus auch in Deutschland in der Diskussion
Ein Vorbild für Deutschland könne laut Kopp und Kemfert die Rückverteilung der Steuereinnahmen an die Bürger als „Klimabonus“ sein. „Dies stärkt die Akzeptanz und entlastet Menschen mit niedrigem Einkommen“, meint Kemfert und hofft, dass sich dies in den Koalitionsverhandlungen durchsetzt.
In Deutschland wurde bereits eine CO₂-Bepreisung eingeführt und im Gegenzug die Pendlerpauschale erhöht und der Strompreis etwas gesenkt. „Aber die Pendlerpauschale ist sozial ungerecht, weil sie eher die höheren Einkommensbezieher bevorteilt“, erklärt Kemfert.
Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch bei den Steuersenkungen in Österreich ab, von denen vor allem Menschen mit mittleren und höheren Einkommen profitieren. „Auch der Familienbonus kommt eher höheren Einkommen zugute“, sagt Kemfert und kritisiert: „Diese ökologische Steuerreform ist leider weniger sozial gerecht, als sie sein könnte, weil die höchste Belastung durch den CO₂-Preis die niedrigsten Einkommensbezieher tragen.“
Um den Standort Österreich attraktiver zu machen, gibt es laut Ankündigung der Regierung für Unternehmen eine schrittweise Reduzierung der Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf 23 Prozent. Auch davon profitieren eher Menschen mit höheren Einkommen.
Klimawende in Koalitionsgesprächen durchsetzen?
Das Ergebnis in Österreich sei ein Kompromiss, macht Kemfert deutlich, und dieser Kompromiss enthalte sinnvolle und weniger sinnvolle Maßnahmen. Ähnlich könnte es auch später beim Koalitionsvertrag in Deutschland laufen. Die Klimapolitikexpertin sieht zwar zähe Verhandlungen auf FDP und Grüne zukommen, doch eine gute Chance für die Klimawende in Deutschland sieht sie durchaus beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Hier seien eine Verdreifachung des Ausbaus, vereinfachte Genehmigungsprozesse und mehr Flächen für Windenergie notwendig. „Da das auch schon die gesamte Wirtschaft gefordert hat, bin ich optimistisch, dass sich dies auch in einer gemeinsamen Regierungserklärung durchsetzen kann, auch mit der FDP“, so Kemfert im Gespräch mit dem RND.
Die FDP hält einen stärkeren Fokus auf den CO₂-Preis bei gleichzeitiger Entlastung ebenfalls für grundsätzlich richtig. „In Deutschland sollten mit den Einnahmen aus dem CO₂-Preis allerdings zunächst die Abschaffung der EEG-Umlage sowie die Senkung der Stromsteuer finanziert werden“, sagte Lukas Köhler, klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, dem RND. „Sinkende Stromkosten schaffen sozialen Ausgleich und fördern in der Wirtschaft gleichzeitig Investitionen in klimafreundliche Technologien.“
Außerdem müsse der nationale CO₂-Preis schnellstmöglich in einer europäischen Lösung aufgehen, forderte Köhler. „Daher müssen Deutschland und Österreich jetzt an einem Strang ziehen und die Pläne der EU-Kommission für die Ausweitung des EU-Emissionshandels unterstützen.“
Greenpeace warnt vor Klimabonus à la Österreich
Greenpeace hingegen warnt vor einem Klimabonus nach österreichischem Vorbild. Ein Klimabonus mache nur dann Sinn, wenn eine CO₂-Bepreisung das Verhalten der Bevölkerung tatsächlich ändere und sozial Schwache dabei finanziell stütze, sagte Geschäftsführer Martin Kaiser. Der Fahrgastverband Pro Bahn glaubt aber, dass Österreichs Konzept hierzulande funktionieren könnte. „Das österreichische Konzept kann und sollte ein Vorbild für Deutschland sein“, sagt Bundesvorsitzender Detlef Neuß dem RND. „Entscheidend ist dabei aber ein ausreichendes Angebot bei der Infrastruktur und beim Takt.“
Ein noch so günstiges Ticketkonzept würde nicht angenommen, wenn die Anbindungen nicht ausreichend seien. Dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zufolge sollte ein Klimaticket unter anderem mit Investitionen und steuerlicher Verteuerung verbrauchsintensiver Autos einhergehen.
Preiserhöhung der Deutschen Bahn sorgt für Kritik
Während die Bahn in Österreich mit einem günstigen Klimaticket lockt, hat die Deutsche Bahn Preiserhöhungen in Deutschland angekündigt. Das ruft Kritik hervor: „Wenn wir den Willen zur Verkehrswende ernst nehmen, sind Preiserhöhungen im öffentlichen Personenverkehr, so moderat sie auch sein mögen, der falsche Weg“, fügt Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn hinzu.
Für einen nachhaltigen Klimaschutz müssen die Ticketkosten laut Verbraucherzentrale im öffentlichen Personenverkehr eingefroren werden. „Das gäbe Verbraucherinnen und Verbrauchern die Chance, den CO₂-Preis mit klimaverträglicher Mobilität zu kompensieren“, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. „Die nächste Bundesregierung muss ein Klimapreismoratorium für Busse und Bahnen einführen, dann geht sie aus Verbrauchersicht einen wichtigen Schritt Richtung erfolgreiche Mobilitätswende.“