Konflikt in Syrien eskaliert – Türkei fordert Unterstützung der Nato
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Kämpfer der Nationalen Befreiungsfront (NFL) patrouillieren auf einer Straße. Oppositionelle Milizen sollen mit türkischer Unterstützung den strategisch wichtigen Ort im Kampf um Syriens letzte große Rebellenhochburg um die Stadt Idlib unter Kontrolle gebracht haben.
© Quelle: Anas Alkharboutli/dpa
Ankara. Der Konflikt zwischen türkischen und syrischen Truppen im Nordwesten Syriens eskaliert: Bei einem Luftangriff auf türkische Soldaten, für den Ankara die von Russland gestützte syrische Regierung verantwortlich macht, seien mindestens 29 Soldaten ums Leben gekommen, teilte der türkische Gouverneur der an die Rebellenhochburg Idlib grenzenden Provinz Hatay, Rahmi Dogan, am frühen Freitagmorgen mit.
Die bei einem Luftangriff in der nordsyrischen Provinz Idlib getöteten türkischen Soldaten waren nach russischen Angaben zum Zeitpunkt des Angriffs mit der Al-Kaida-nahen islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) unterwegs. Die Rebellen hätten in der Nacht auf Freitag eine großangelegte Offensive auf die syrischen Regierungstruppen versucht, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit.
“Dabei sind auch türkische Militärangehörige, die sich unter den Kampfeinheiten der terroristischen Gruppen befanden, unter Beschuss der syrischen Soldaten gekommen”, hieß es.
Die türkische Seite habe die Präsenz ihrer Truppen in den betreffenden Gebieten nicht mitgeteilt. Diese “hätten sich nicht dort aufhalten dürfen”, hieß es aus Moskau.
Ömer Celik, ein Sprecher der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan, rief die Nato auf, der Türkei beizustehen. In Richtung Europäische Union richtete er zudem eine Warnung: “Unsere Flüchtlingspolitik ist die gleiche, aber wir haben hier eine Situation, wir sind nicht länger in der Lage, Flüchtlinge zurückzuhalten.”
In der Türkei leben 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge
In der Türkei leben rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Laut einer Vereinbarung zwischen Ankara und der EU von 2016 hat die Türkei sich bereiterklärt, Flüchtlinge verstärkt davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Seitdem hat Erdogan bei verschiedenen Streitigkeiten wiederholt damit gedroht, “die Tore zu öffnen”.
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Der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge kamen mindestens 34 türkische Soldaten am Donnerstag in Idlib ums Leben. Der Angriff ereignete sich dem Aktivistennetzwerk nach in der Region Dschabal al-Sawija im Süden Idlibs. Demnach hatten kurz zuvor türkisch gestützte syrische Oppositionskämpfer die strategisch wichtige Stadt Sarakeb von Regierungstruppen zurückerobert.
Obwohl die Regierungstruppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad Sarakeb verloren geben mussten, machten sie in Richtung Süden große Gewinne. Assad kontrolliert derzeit beinahe den gesamten Süden der Provinz, wie staatliche Medien und Aktivisten mitteilten.
UN fordern sofortigen Waffenstillstand
Im türkischen Fernsehen waren nach dem Angriff vom Donnerstag Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Luftangriffen auf syrische Ziele zu sehen. Erdogan berief eine Notfallsitzung in Ankara ein, wie der Sender NTV berichtete. Sein Sprecher Ibrahim Kalin, der in der türkischen Außenpolitik ebenfalls eine große Rolle spielt, sprach mit dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Robert O’Brien. Außenminister Mevlüt Cavusoglu telefonierte der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
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Der Nordatlantikrat der Nato kommt an diesem Freitag zu einem Sondertreffen zusammen. Die Türkei habe um dieses Treffen unter Artikel 4 der Nato-Verträge gebeten, teilte das Militärbündnis am Freitag mit. Artikel 4 besagt, dass jeder Alliierte jederzeit um Beratungen bitten kann, wenn seiner Meinung nach “die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist”.
Der Nordatlantikrat ist das wichtigste Entscheidungsgremium der Nato. Er trifft sich in der Regel einmal pro Woche auf Ebene der Botschafter und etwa halbjährlich auf Ebene der Außen- und Verteidigungsminister. Es ist erst das sechste Mal seit der Nato-Gründung 1949, dass Artikel 4 ausgelöst wird - meistens von der Türkei.
UN-Generalsekretär António Guterres wiederholte seinen Aufruf zu einem sofortigen Waffenstillstand und drückte ernsthafte Besorgnis über das Risiko für Zivilisten aus, wie sein Sprecher Stéphane Dujarric sagte. "Ohne dringende Handlung wächst das Risiko einer noch größeren Eskalation von Stunde zu Stunde."
Erst kürzlich war eine russische Delegation zwei Tage lang für Gespräche über die Situation in Idlib in Ankara gewesen. Hunderttausende Zivilisten sind bisher vor der Gewalt geflohen, auch in Richtung der Grenze zur Türkei. Idlib ist die letzte Rebellenhochburg in dem Bürgerkriegsland Syrien.
Anadolu zufolge versammelte sich eine wütende Menge vor dem russischen Konsulat in Istanbul. "Mörder Russland, Mörder Putin", riefen sie demnach, vor einer Reihe von Bereitschaftspolizei und Wasserwerfern stehend.
RND/cle/AP