Korruptionsskandal im Europaparlament: Kontrollinstanzen versagten
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Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Eva Kaili steht im Mittelpunkt des EU-Korruptionsskandals.
© Quelle: Eric Vidal/European Parliament/d
Brüssel. Als Konsequenz aus dem EU-Korruptionsskandal haben Brüsseler Parlamentarier gefordert, umgehend eine unabhängige und schlagkräftige Kontrollinstanz zu schaffen. Die bestehenden Kommissionen hätten deutliche Warnsignale nicht bemerkt, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die belgische Justiz ermittelt seit Monaten wegen mutmaßlicher Korruption, Geldwäsche und Einflussnahme aus dem Ausland im Europaparlament und seinem Umfeld.
Die Fahnder hegen den Verdacht, dass das Golfemirat Katar mit Geld- und Sachgeschenken versuchte, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Katar hat die gerade zu Ende gegangene Fußball-WM ausgerichtet.
Im Mittelpunkt des Skandals stehen die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlaments, Eva Kaili, sowie mehrere aktive und frühere Europaabgeordnete. Belgische Ermittler haben inzwischen fast 1,5 Millionen Euro in bar beschlagnahmt. An diesem Donnerstag entscheidet ein Brüsseler Gericht, ob Kaili weiter in Untersuchungshaft bleiben muss.
„Es muss ein unabhängiges Gremium geschaffen werden, das mit kompetenten Leuten wie ehemaligen Richtern am Europäischen Gerichtshof besetzt ist“, sagte der Grünen-Politiker Freund dem RND. Dieses Gremium solle für das Europaparlament und die EU-Kommission zuständig sein.
Korruptionsfall im Europäischen Parlament sorgt für Ruf nach Konsequenzen
Am Freitag waren sechs Verdächtige von belgischen Behörden nach übereinstimmenden Medienberichten festgenommen worden.
© Quelle: Reuters
Zwar gibt es im Europaparlament und in der EU-Kommission bereits Gremien, die kontrollieren sollen, ob Abgeordnete, Beamte und EU-Kommissare den Verhaltenskodex befolgen. Doch diese hätten sich in der Vergangenheit als zahnlos erwiesen, kritisierte Freund.
Konkret lasse sich das Problem der fehlenden Kontrolle am Beispiel der Brüsseler Nichtregierungsorganisation (NGO) „Fight Impunity“ festmachen. Über diese NGO, die 2019 von dem ehemaligen Europaabgeordneten Pier Antonio Panzeri gegründet wurde, soll Kaili Hundertausende von Euro an möglichen Bestechungsgeldern erhalten haben.
Schon im Jahr 2020, also lange Zeit bevor der aktuelle Korruptionsskandal die EU-Institutionen erschütterte, beschäftigte sich das Ethikgremium der Kommission mit „Fight Impunity“. Es ging damals um den Antrag des früheren EU-Innenkommissars Dimitris Avramopoulos, für die NGO Lobbyarbeit zu leisten. Dabei sei zwar aufgefallen, dass „Fight Impunity“ nicht im Lobbyregister der EU eingetragen war und deswegen nicht offenlegen musste, woher sie ihr Geld bekommt.
Nachlässigkeit aus 2020 hat nun Folgen
Doch statt auf einen Eintrag ins Lobbyregister zu drängen und Avramopoulos bis dahin die Lobbyarbeit zu verbieten, „verließ man sich auf das Wort des Ex-Kommissars und des NGO-Chefs Panzeri, dass sich die Organisation demnächst registrieren werde“, sagte Freund. Das geschah allerdings nicht.
Das Ethikgremium der EU-Kommission hatte die Chance, das vermutete Korruptionsnetzwerk um Kaili und Panzeri frühzeitig aufzudecken, und ließ sie fahrlässig verstreichen.
Daniel Freund (Grüne),
Europaabgeordneter
Das Fazit des Grünen-Parlamentariers: „Das Ethikgremium der EU-Kommission hatte die Chance, das vermutete Korruptionsnetzwerk um Kaili und Panzeri frühzeitig aufzudecken, und ließ sie fahrlässig verstreichen.“ Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse nun so schnell wie möglich einen Vorschlag für ein Ethikgremium machen, „das die Schwächen des bisherigen Systems repariert“.
Auch der liberale Europaabgeordnete Moritz Körner kritisierte die EU-Kommissionspräsidentin. Das Europaparlament fordere seit Langem eine schärfere Lobbykontrolle, „weil Ursula von der Leyen ihrem Parteifreund Günther Oettinger jeden Lobbying-Job durchgehen ließ“, sagte Körner dem RND. Der CDU-Politiker Oettinger war vor von der Leyens Amtsantritt EU-Haushaltskommissar und ist seither als Lobbyist für verschiedene Unternehmen tätig. „Wie sich nun herausstellt, hat Ursula von der Leyen auch ihrem Parteifreund Avramopoulos anstandslos gestattet, bei der Katar-Geldverteil-NGO anzuheuern“, sagte Körner.
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Zugleich seien die CDU-Abgeordneten im Europaparlament nicht bereit gewesen, der Schaffung einer schlagkräftigen Ethikkommission zuzustimmen, so der FDP-Politiker: „Vielleicht hätte der aktuelle Korruptionsskandal der Sozialdemokraten verhindert werden können, wenn die Konservativen bei der Korruptionsbekämpfung in den vergangenen Jahren weniger gemauert hätten.“