Müssen die Beiträge steigen?

Gesetzliche Krankenkassen rechnen auch 2024 mit Milliardendefizit

Um eine Finanzierungslücke im Gesundheitsfonds zu stopfen, greift der Bund abermals das Vermögen der Gesetzlichen Krankenkassen an (Symbolbild).

Auch im kommenden Jahr wird in der Kranken­versicherung ein Defizit erwartet.

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Berlin. Die gesetzlichen Krankenkassen rechnen auch im kommenden Jahr mit einem Defizit in Milliardenhöhe, wobei die Lücke der Prognose zufolge geringer ausfallen dürfte als in diesem Jahr. Die Chefin des Kassen­spitzen­verbandes, Doris Pfeiffer, sagte am Donnerstag in Kremmen bei Berlin, aus heutiger Sicht fehlten 2024 zwischen 3,5 und 7 Milliarden Euro. Ohne weitere Maßnahmen müssten die Zusatzbeiträge der Kassen damit im Schnitt um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte steigen.

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Damit würde der effektiv zu zahlende Gesamtbeitrag von derzeit durchschnittlich 16,1 auf 16,3 bis 16,5 Prozent steigen. Pfeiffer forderte Bundes­gesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) auf, durch Reformen dafür zu sorgen, eine zusätzliche Belastung der Versicherten zu verhindern „Es kann nicht sein, dass die Beiträge immer weiter steigen. Diese Spirale muss gestoppt werden“, mahnte sie.

Kassenspitzenverband fordert Lauterbach zu Reformen auf

Im laufenden Jahr war ein Defizit von 17 Milliarden Euro erwartet worden, das durch ein Spargesetz mit Einmal­maßnahmen und Beitrags­anhebungen gedeckt wurde. Die geringere Lücke im kommenden Jahr erklärte Pfeiffer unter anderem mit den kräftigen Tarif­steigerungen für die Beschäftigten, wodurch die Einnahmen der Kassen wachsen. Außerdem werde die Finanzlage im laufenden Jahr wahrscheinlich besser ausfallen als prognostiziert, unter anderem durch eine geringere Nachfrage nach Krankenhaus­behandlungen – ein Trend, der nach der Corona-Pandemie offensichtlich anhält. Dadurch dürften die Rücklagen der Kranken­versicherung besser aufgefüllt werden, was den Druck im kommenden Jahr etwas mildert. Pfeiffer warnte allerdings, dass sich die Tarif­steigerungen und die Inflation zeitverzögert auch bei den Ausgaben der Kassen zeigen würden.

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Pfeiffer forderte die Ampelkoalitionen zu Reformen auf, um das Gesundheits­wesen effizienter zu machen. Dazu zählte sie unter anderem einen zügigen Umbau der Notfall­versorgung, eine Verlagerung von Operationen aus den Kliniken zu niedergelassenen Ärzten oder einen Abbau des insbesondere in einigen Ballungs­gebieten bestehenden Überangebots von Arztpraxen. Sie wiederholte zudem die Forderung der Krankenkassen an den Bund, die Mehrwert­steuer für Arzneimittel zu senken und für die Empfänger des Bürgergeldes kostendeckende Beiträge zu zahlen. Derzeit wird den Kassen für jeden Bürgergeld­empfänger eine monatliche Pauschale von 114 Euro gezahlt. Das deckt nach Angaben von Pfeiffer nur etwa ein Drittel der tatsächlichen Kosten.

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Leistungskürzungen lehnen die Krankenkassen ebenso wie Gesundheits­minister Lauterbach ab. Pfeiffer sagte allerdings, es müsse verstärkt die Wirksamkeit der von den Kassen bezahlten Behandlungen überprüft werden. Konkret nannte die Verbandschefin die Homöopathie. Sie wird von vielen Kassen aus Wettbewerbs­gründen freiwillig bezahlt, obwohl es keine wissenschaftlichen Belege für eine Wirksamkeit gibt. „Hier ist eine politische Entscheidung notwendig“, forderte Pfeiffer.

Weitere Beratungen über Krankenhausreform

Unterdessen haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern ihre Beratungen über die geplanten Krankenhausreform fortgesetzt. Lauterbach sprach anschließend von einem „Durchbruch“ Die Grundstruktur der Reform stehe, allerdings seien noch viele Details zu klären. Lauterbach bekräftigte, dass bis zur Sommerpause Eckpunkte fertig gestellt werden sollten. Das Inkrafttreten sei für Anfang 2025 geplant. Es bestehe Zeitdruck, denn viele Kliniken seien „existenziell“ bedroht.

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Weiterhin strittige Punkte

Einigkeit besteht nach Angaben Lauterbachs darüber, dass die Kliniken künftig nicht mehr ausschließlich per Fall bezahlt werden, sondern Geld auch für das Vorhalten von Kapazitäten erhalten. Für allen Leistungen von Krankenhäusern soll es bundesweit einheitliche Qualitätsanforderungen geben. Strittig ist allerdings weiterhin die Einteilung der Kliniken in unterschiedliche Versorgungsstufen (“Level“) - von der wohnortnahen Grundversorgung bis zu Maximalversorgern wie Universitätsklinika. Die Länder lehnen das weiterhin als Eingriff in ihre Planungshoheit ab. „Bei den Leveln werden wir keine Freunde“, betonte der baden-wüttembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne).





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