Landwirtschaft in Afrika: „Einfach nur Geld hinschicken – das hilft nicht“

Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft sieht in der Förderung der Landwirtschaft und damit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auch eine Fluchtursachenbekämpfung.

Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft sieht in der Förderung der Landwirtschaft und damit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auch eine Fluchtursachenbekämpfung.

Frau Ministerin, Sie sind gestern aus Marokko zurückgekehrt. Warum interessiert sich die deutsche Landwirtschaftsministerin für Afrika?

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Afrika, die Chancen und Herausforderungen des Kontinents, interessieren mich, treiben mich um. Nicht nur als Politikerin. Ruanda und mein Heimatland Rheinland-Pfalz sind als Partnerländer eng verbunden, für die Stiftung Weltkirche setze ich mich in Namibia für ein Aidswaisenhaus ein; ich bin nach Mali und in den Niger gereist. Und als Ministerin sage ich Ihnen: Zwei Drittel der Bevölkerung Afrikas sind Landwirte. Landwirtschaft ist damit ein entscheidender Schlüssel für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Eine moderne, nachhaltige und vor allem ertragreiche Landwirtschaft kann wesentlich zur Senkung der Arbeitslosigkeit beitragen, gerade den vielen jungen Menschen eine Bleibeperspektive geben. In einen größeren Rahmen gesetzt ist sie ganz konkrete Fluchtursachenbekämpfung.

Heute kommen in Berlin beim Afrika-Deutschland-Gipfel deutsche Investoren mit afrikanischen Staatschefs zusammen. Die afrikanische Landwirtschaft gilt als Zukunftsmarkt. Überrascht Sie das?

Betrachtet man die demografische Entwicklung ist das nur logisch. Die Bevölkerung Afrikas wird bis zum Jahr 2050 von heute 1,2 auf dann 2,6 Milliarden Menschen anwachsen. All diese Menschen müssen im wahrsten Sinne in Lohn und Brot gebracht werden. Das kann eine Win-Win-Situation werden – für deutsche Investoren und Afrikas Jugend. Afrikas Landwirtschaft birgt eine Riesenchance.

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Hat die klassische Entwicklungshilfe ausgedient?

Einfach nur Geld hinschicken – das hilft nicht. Den meisten afrikanischen Ländern fehlt es nicht an Geld- und Sachspenden, sondern an Wissen, Erfahrung, begleiteter Anwendung und Entwicklung. Das fällt mir bei meinen Reisen immer wieder auf. Da stehen oft moderne Traktoren auf dem Acker und verrosten – weil die Hydraulik kaputt ist, aber es weit und breit niemanden gibt, der das repariert. Das zeigt doch: Afrika braucht Erfahrungsaustausch, Expertise und Wissenstransfer – in der gesamten Wertschöpfungskette. Junge Menschen müssen die Chance bekommen, umfassend in effizienter und nachhaltiger Landwirtschaft ausgebildet zu werden. Deutsche Unternehmer mit großer Erfahrung in dualer Ausbildung wären dafür die Richtigen. Mein Ministerium unterstützt hier mit Fortbildungs- und Schulungszentren gemeinsam mit deutschen Unternehmen, wie zum Beispiel in Marokko, aber auch in Äthiopien und Sambia.

Zieht es denn deutsche Firmen dorthin?

Leider wenden sich deutsche Firmen dem afrikanischen Markt noch zu wenig zu, ein größeres Interesse und Engagement würde ich mir wünschen. Klar ist aber auch: Das ist kein Selbstzweck, die Voraussetzungen müssen stimmen. Investitionen sind oft noch mit zu großen Risiken behaftet. Ein großes Problem ist die häufig fehlende Rechtssicherheit, mitunter müssen Ausländer sogar Enteignungen fürchten. Zudem herrscht großer Mangel an Fachpersonal. Zur Entwicklung lokaler Märkte ist deshalb eine Gesamtstrategie nötig: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft – sie alle sind gefragt.

Trägt der Export subventionierter Agrarprodukte aus der EU dazu bei, dass sich Afrikaner auf dem Weg nach Europa machen?

Fakt ist, dass es längst keine Exportsubventionen mehr gibt, auch findet keine Abschottung der EU statt. Es verwundert mich ehrlich gesagt, dass danach immer wieder gefragt und damit diese Legende am Leben gehalten wird. Richtig ist, dass die EU bereits seit 2013 keine Exportsubventionen mehr zahlt und die WTO-Mitgliedsstaaten im Dezember 2015 beschlossen haben, dass Industrieländer sie ebenfalls nicht mehr zahlen dürfen. In ihren Abkommen ermöglicht die EU den afrikanischen Ländern einen zoll- und quotenfreien Export ihrer Produkte nach Europa. Es handelt sich allerdings um ein asymmetrisches Abkommen, das heißt, dass die afrikanischen Länder sensible Produkte von der Zollliberalisierung ausnehmen, etwa Geflügel- und Milchprodukte. Übrigens: Deutschland importiert sehr viel mehr Agrargüter aus Afrika als wir dorthin exportieren.

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Was können afrikanische Bauern von deutschen Bauern lernen?

Im Jahr 1900 hat ein deutscher Landwirt durchschnittlich vier Menschen ernährt. Im Jahr 2018 ernährt er 131 Menschen. Es geht um nachhaltige Effizienzsteigerung, Modernisierung und Professionalisierung. Ein wichtiger Schritt etwa ist, Erträge besser zu sichern. Ein großer Teil der Ernte geht heute verloren – etwa durch falsche Lagerung, fehlende Kühlung oder schädigenden Transport. Hier können afrikanische Bauern lernen; wir im Gegenzug müssen das Wissen, die Kompetenzen und Erfahrungen aber auch vermitteln. Millionen Menschen hungern in Afrika. Das ist beschämend und bedrohlich: Ein knurrender Magen findet keinen Frieden.

Und können deutsche Bauern etwas von afrikanischen lernen?

Afrikas Bauern blicken anders auf Natur und Zeit. Vielleicht täte der hiesigen Landwirtschaft ein wenig Entschleunigung gut.

Von Marina Kormbaki/RND

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