Vor Schulstart: Lehrerverbände warnen in mehreren Bundesländern vor drastischem Personalmangel
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Stühle stehen nach Schulschluss auf den Tischen in einem Unterrichtsraum einer Grundschule.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Berlin. Etwa eine Woche vor Schulbeginn warnt der Thüringer Lehrerverband vor massivem Personalmangel: Fast 800 Stellen seien ausgeschrieben und noch unbesetzt, teilte Tim Reukauf vom Verband am Dienstag mit. Mit dem Problem ist Thüringen nicht allein: Auch der Bayerische Lehrerverband hatte vor einigen Wochen Alarm geschlagen, und in Sachsen-Anhalt liegt die Unterrichtsversorgung jüngsten Berechnungen zufolge im neuen Schuljahr bei 92 Prozent, wie Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) am Dienstag in Magdeburg sagte.
„Die Nachricht hat auch mich als Lehrerverbandspräsident vom Sockel gehauen“, sagt Heinz-Peter Meidinger dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und spricht von einem „katastrophalen Wert“ in Sachsen-Anhalt. Konkrete Zahlen zum bundesweiten Lehrkräftemangel könne der Verband nicht nennen, aber „so dramatisch, wie es dieses Jahr zu werden droht, war es nie“. Der tatsächliche Mangel werde mit der Einstellung von Seiten- und Quereinsteigern verdeckt, die Ausbildung dieser sei qualitativ unzureichend. Die Gründe sind laut Meidinger vielfältig, neben „dem Gefühl, verheizt zu werden“, dem Berufsimage und mangelnden Aufstiegschancen erscheine der Beruf vielen als „Einbahnstraße“ – was nicht zu den Ansprüchen heutiger Studieneinsteiger passe.
Ein Lösungsansatz sei deshalb die Erhöhung der Durchlässigkeit – in, aber auch aus dem Beruf. „Das klingt im Kontext von Lehrermangel jetzt kontraproduktiv, ich glaube aber, dass es das Problem langfristig entschärfen könnte“, so Meidinger. Er fordert außerdem, dass in Zeiten mit einem Lehrkräfteüberangebot auch über Bedarf an den Schulen eingestellt werden sollte. Da sich Unter- und Überangebot in einem Zyklus von etwa zehn bis 15 Jahren abwechseln würden, könne man so einen Lehrkräftemangel, wie er jetzt vorherrsche, verhindern.
Laut einer Modellrechnung der Kultusministerkonferenz sei noch bis einschließlich 2025 mit einem Unterangebot von Grundschullehrkräften zu rechnen. Im Sekundarbereich I wird demnach auch 2035 der Bedarf an Lehrkräften nicht gedeckt werden können. Im Durchschnitt würden zwischen 2021 und 2035 nur rund 72 Prozent der nötigen Stellen mit Neuabsolventen des Vorbereitungsdienstes besetzt werden können. Lediglich im Sekundarbereich II sieht es besser aus, hier gebe es teils sogar ein Überangebot. Schwierig wird es erst in den Jahren, in denen durch eine Umstellung von G 8 auf G 9 plötzlich ein Jahrgang mehr unterrichtet werden muss, wie etwa in den Jahren 2025 und 2026 in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
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NC auf Grundschullehramt: „Der muss weg!“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht schlechte Arbeitsbedingungen als eine Ursache für den Lehrkräftemangel und fordert deshalb kleinere Klassen und weniger Pflichtstunden. „Wenn die Politik sagt, dass sie die Arbeitszeit nicht senken könne, weil es zu wenige Lehrkräfte gebe, dann sage ich, dass genau andersherum ein Schuh daraus wird: Mit abschreckenden Arbeitsbedingungen kann man nicht locken!“, sagt GEW-Vorsitzende Maike Finnern dem RND. Darüber hinaus müsse das Personal differenzierter aufgestellt, mehr Fachkräfte zum Beispiel für die IT eingestellt werden, damit Lehrkräfte wieder mehr Zeit für ihre Kernaufgabe hätten. Finnern sieht auch die Hochschulen in der Verantwortung, die ihre Kapazitäten hochfahren sollten. „Zudem ist es ein absolutes Unding, dass in Zeiten des Lehrkräftemangels insbesondere an Grundschulen auf sehr vielen Grundschullehramtsstudiengängen immer noch ein Numerus clausus (NC) liegt. Der muss weg!“
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Toniebox und Co.: der Kampf um die Kinderohren
Kinder lieben Hörspiele. Entsprechend hart umkämpft ist der Markt rund um das Hörerlebnis im Kinderzimmer. Doch was macht den Erfolg von Toniebox und Co. eigentlich aus, und wie sieht die Zukunft des Hörens aus? Nachfrage bei einem Kindermarketingexperten.
Laut Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), hat der Lehrkräftemangel ein „dramatisches Niveau“ erreicht und führe bereits bundesweit zu Einschränkungen. Die Kultusminister und Kultusministerinnen würden sich in Stückwerk verrennen, statt sich den Herausforderungen zu stellen: „Die Einführung einer Viertagewoche, die Beschränkung von Teilzeit, Verkürzung der Unterrichtsstunden oder die Kürzung der Stundentafel, wie jüngst in Berlin vorgeschlagen, werden das Problem Lehrkräftemangel nicht lösen, sondern offenbaren die Hilflosigkeit der politisch Verantwortlichen“, sagt Beckmann dem RND. Nach Berechnungen im Auftrag des VBE könnten laut dem Vorsitzenden bis 2035 fast 160.000 Lehrkräfte fehlen. Grund dafür seien die „jahrelange Schönrechnerei des Lehrkräftebedarfs seitens der Politik und die Unterfinanzierung des Bildungssystems“.
Deshalb müsse jetzt die Ausbildung von Lehrkräften verbessert werden, um Abbruchquoten zu minimieren. Beckmann fordert darüber hinaus die gleiche Bezahlung von Lehrkräften unabhängig von der Schulform sowie den Einsatz multiprofessioneller Teams, um Lehrkräfte zu entlasten. „Wird diese immense Herausforderung nicht umgehend angegangen, droht das Kartenhaus Schule endgültig zusammenzubrechen“, schließt Beckmann.
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