Lehrkäftemangel stellt Schulen bei der Integration von Geflüchteten vor Herkulesaufgabe
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Die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler wächst weiter, gleichzeitig kämpfen Schulen mit enormem Fachkräftemangel.
© Quelle: Daniel Karmann/dpa
Berlin. Laut Kultusministerkonferenz (KMK) sind aktuell 163.253 ukrainische Schülerinnen und Schüler in Deutschland – die Zahl wächst rasch weiter. Bis Mitte September wird es voraussichtlich einen Sprung nach oben geben, wenn die Sommerferien überall vorbei sind und es aktuelle Daten gibt. Die Schulen platzen aus allen Nähten, an Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulräumen mangelt es auch so schon – von angemessener Betreuung für die oft traumatisierten Kinder und Jugendlichen lässt sich nur träumen.
Die Herausforderungen seien regional unterschiedlich, aber prinzipiell „treffen die nunmehr gut 160.000 Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine auf ein System mit massiver personeller Unterdeckung“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Viele der Geflüchteten sind durch den Terror des russischen Angriffskrieges und die Flucht stark traumatisiert. Diese Erfahrungen zu verarbeiten braucht professionelle Unterstützung.“ Er fordert multiprofessionelle Teams an den Schulen, um die Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen. Beckmann nimmt außerdem die Politik in die Verantwortung, er erwarte, dass sie „der Gesellschaft transparent macht, unter welchen Einschränkungen die Schulen bereits jetzt arbeiten und zu welchen weiteren Einschränkungen es in Zukunft kommen kann“. Das dürfe nicht Aufgabe von Schulleitungen und Lehrkräften sein.
Lehrerverband schätzt, dass 40.000 Lehrkräfte fehlen
Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass bundesweit bis zu 40.000 Lehrkräfte fehlen, in allen Bundesländern habe sich die Unterrichtsversorgung verschlechtert. „Bundesweit gehen wir von einer echten Lücke von mindestens 30.000, vielleicht sogar bis zu 40.000 unbesetzten Stellen aus“, sagt Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur.
Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), fordert, dass ukrainische Schülerinnen und Schüler schnellstmöglich in den Regelunterricht integriert werden müssten. „Willkommens-, Intensiv- oder Sprachklassen für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) sind eine Übergangslösung“, sagt Finnern dem RND. Normalität und der Kontakt zu Gleichaltrigen seien jetzt wichtig für die traumatisierten Kinder und Jugendlichen. „Das klappt jedoch nur, wenn Klassen nicht dauerhaft völlig überfüllt sind und der Regelunterricht durch zielgruppengerechte Fördermaßnahmen und multiprofessionelle Unterstützungsangebote nachhaltig flankiert wird.“ Die Politik dürfe die angespannte Situation in den Schulen nicht verkennen. Die Lehrkräfte würden mehr Unterstützung erwarten, bisher seien aber keine Lösungen in Sicht. Und nicht nur an Lehrkräften mangelt es, auch geeignete Räumlichkeiten zu finden sei schon eine „Herkulesaufgabe“. Finnern fordert deshalb, auch „nicht schulische Räume und zivilgesellschaftliche Kapazitäten“ zu suchen.
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Frau Lemke, wird sich die Oder je wieder erholen?
Umweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) plagen gerade zwei Sorgen: Nach der Umweltkatastrophe in der Oder muss man mit Dauerschäden und mit ähnlichen Vorfällen in anderen Flüssen rechnen, sagt sie im RND-Interview. Und vor einer Atomkraftverlängerung seien monatelange Sicherheitschecks unabdingbar, betont sie – und warnt vor erschwerter Endlagersuche.
Aber: „Das Damoklesschwert, das über allen Maßnahmen schwebt, ist der Fachkräftemangel, dagegen braucht es dringend eine gemeinsame Strategie“, so Finnern. Dazu gehöre auch die unbürokratische und schnelle Einstellung und Weiterqualifizierung von aus der Ukraine geflüchteten Lehrkräften. Aktuell sind etwa im Saarland 22 ukrainische Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte beschäftigt. In Nordrhein-Westfalen, wo aktuell 32.788 und damit die meisten ukrainischen Schülerinnen und Schüler sind, wurden bis Mai 61 ukrainische Lehrkräfte eingestellt, bis Ende der Sommerferien wurden keine aktuellen Daten erhoben. In Sachsen-Anhalt wurden bereits 167 ukrainische Lehrkräfte eingestellt, in Thüringen waren es zum Stichtag 1. Juli lediglich 15.
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