Live und auf Englisch: Wie Olaf Scholz in den USA um Vertrauen wirbt

Bundeskanzler Olaf Scholz gibt vor seinem Treffen mit dem US-Präsidenten Joe Biden deutschen Medienvertretern in Washington ein Pressestatement.

Bundeskanzler Olaf Scholz gibt vor seinem Treffen mit dem US-Präsidenten Joe Biden deutschen Medienvertretern in Washington ein Pressestatement.

Washington. Wenigstens das Kaminfeuer sorgt für Wärme - und schöne Bilder. Ansonsten wirkt der erste Moment dieses mit Spannung erwarteten Treffens eher kühl. Joe Biden und Olaf Scholz sitzen in den großen Stühlen mit den hohen Armlehnen im Oval Office und tragen schwarze Masken. Sie nehmen sie für die Fotografen nicht ab. Aber die Szene wirkt auch ohne Pandemie eher steif.

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Der US-Präsident liest seine wenigen Sätze vom Blatt ab. Er braucht nicht einmal eine Minute dafür. Der Bundeskanzler macht es noch kürzer: 25 Sekunden. Beide senden dabei dieses Signal: Deutschland und die USA sind engste Verbündete. Das ist auch das Mindeste, was sie als Erstes erklären müssen.

Scholz und Biden machen deutlich, Deutschland und die USA würden gemeinsam die Schritte gehen, die gegangen werden müssten, um Russland davon abzuhalten, in die Ukraine einzumarschieren. Eine US-Journalistin ruft Biden immer wieder diese Frage zu: „Tut Deutschland genug?“ Die Frage bleibt in diesem geschichtsträchtigen Präsidenten-Arbeitszimmer erst einmal unbeantwortet.

Betonte Einigkeit in den deutsch-amerikanischen Beziehungen

Für Scholz steht viel auf dem Spiel bei diesem Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Der Mann aus Deutschland muss in den USA den Eindruck hinterlassen, dass er eine ebenso verlässliche und stabilisierende Kraft in Europa ist, wie es seine Vorgängerin Angela Merkel war.

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Die mangelnde Sichtbarkeit des Kanzlers in der Ukraine-Krise in den acht Wochen seit dem Machtwechsel haben Irritationen im transatlantischen Bündnis, in der Nato und in der EU ausgelöst. Jetzt muss sein Auftritt mit Biden alle Zweifel ausräumen, Deutschland sei kein starker Partner.

In der Pressekonferenz von Biden und Scholz erwärmen sich später dann die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Biden betont: „Es ist nicht nötig, Vertrauen zurückzugewinnen.“ Deutschland sei einer der wichtigsten Verbündeten der USA in der Welt. „Ich habe überhaupt keinen Zweifel an Deutschland.“ Er fügt noch an, Deutschland spiele eine führende Rolle bei Dialog und Diplomatie. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die USA von Deutschland keine Waffenlieferungen an die Ukraine verlangen werden. Scholz hat dazu bisher auch Nein gesagt.

Scholz sagt: „Wir sind in einer sehr, sehr schwierigen Situation.“ Es gebe eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit in Europa durch die militärische Bedrohung der Ukraine durch Russlands. Er wiederholt, eine Invasion werde sehr, sehr hohe Kosten haben für Russland. Er betont, es sei wichtig, dass alle Verbündeten gemeinsam das Gleiche sagten. Genau das erscheint aber noch als Problem.

„Alle Optionen“ liegen auf dem Tisch – auch Nord Stream 2?

Neben der Frage nach Waffenlieferungen an Kiew wollen US-Politiker vor allem eine Antwort: Wie hälst Du es mit Sanktionen gegen die fertiggestellte Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland Nord Stream 2? Scholz stereotype Erklärung, dass „alle Optionen auf dem Tisch liegen“, reicht ihnen nicht. Sie wollen wortwörtlich von ihm hören, dass speziell Nord Stream 2 auf dem Tisch liegt.

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 Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) und US-Präsident Joe Biden bei der Pressekonferenz im Weißen Haus.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) und US-Präsident Joe Biden bei der Pressekonferenz im Weißen Haus.

Auf eine entsprechende Frage eines deutschen Journalisten sagt Scholz: „Wir werden bei den Sanktionen komplett einvernehmlich reagieren.“ Nord Stream 2 nimmt er nicht in den Mund. Aber Biden sagt: „Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 mehr geben.“ Scholz zufolge müsste das dann einvernehmlich geschehen.

Deutsche Diplomaten hatten vor seiner Abreise nach Washington erklärt, Deutschland sei der „Taktgeber“ beim Schnüren des Sanktionspakets gegen Russland gewesen, das der Westen im Falle eines Einmarschs in die Ukraine sofort und einmütig ziehen könne. Den Takt hat Deutschland demnach aber ausschließlich hinter den Kulissen angegeben, denn groß bekannt ist eine solche diplomatische Leistung Deutschlands nicht.

Am Dienstag will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Berlin vorbeischauen und Scholz von seinem Treffen am Montag mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau erzählen. Dieses Signal des Austauschs ist Scholz auch deshalb wichtig, weil zuletzt nicht er, sondern Macron als der starke Mann Europas wahrgenommen wurde. Das kann Deutschland mit seinen hohen Beiträgen an die Nato, die EU und als mit Abstand größtes Geberland für die Ukraine nicht gefallen.

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Anders als Merkel: Fotoerlaubnis im Regierungsflieger

Olaf Scholz ist ein Mann mit zwei Gesichtern. Sein Antrittsbesuch beim wichtigsten Verbündeten liefert die Bilder dafür. Der Bundeskanzler ist der Staatsmann im Anzug, Tunnelblick, hochkonzentriert auf sein Gespräch im Weißen Haus, der lieber auf eine Frage nicht antwortet, als falsch zu antworten. Und er ist der Sozialdemokrat in Jeans und grauem Pulli, entspannt plaudernd mit der Begleitpresse im Regierungsflieger, ein Lächeln auf den Lippen.

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Es dürfen Fotos davon gemacht werden – anders als bei Angela Merkel, die so etwas untersagt hat, man wäre für vergleichbare Bilder aus dem Medientross geflogen. Vielleicht will Scholz mit dieser anderen Seite des Regierungsalltags sein inzwischen schon etwas ramponiertes Image aufmöbeln und zeigen: Scholz ist gar nicht so – so ein Sprachroboter, so zurückhaltend und spröde. In Wirklichkeit ist der Kanzler doch nahbar und informativ – auf dass die persönlichen Umfragewerte nicht weiter sinken.

In einer Sache ist er der Erste seit Helmut Schmidt

Um dieses Image auch in Washington zu pflegen, hat sich der 63-Jährige noch etwas anderes ausgedacht und macht, was Merkel - genauso wenig wie Fotos im Flugzeug - nie gemacht hat: Er gibt dem Fernsehsender CNN nach der Pressekonferenz ein Interview. Live und in Englisch.

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Das ist ein ziemlicher Knaller, denn seit Helmut Schmidt hat kein deutscher Kanzler mehr Interviews in Englisch gegeben - und erst recht nicht live in einer Hauptnachrichtenzeit. Mutig sei das, sagen Beobachter in Washington. Das Interview hat Scholz sichtlich Spaß gemacht. Seine Antworten waren konkreter als so manches Mal auf Deutsch.

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