Macron muss seinen Stil ändern
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Der wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron bei der Wahlparty unter dem Eiffelturm am Sonntag.
© Quelle: IMAGO/Le Pictorium
Eine Schonfrist, wortwörtlich spricht man in Frankreich von einem „Gnadenzustand“, erhalten eigentlich alle französischen Präsidenten unmittelbar nach ihrer Wahl. Wenigstens ein paar Monate, zumindest bis zum Sommer, hält diese Phase üblicherweise an. Erst dann wird in der Regel die Kritik der Gegner laut, die angesichts der übermäßigen Erwartungen, die sich auf eine einzige Person richten, unvermeidbar ist.
Emmanuel Macron bekommt keine Schonzeit und das weiß er auch. Zum ersten Mal seit 20 Jahren gelang einem Präsidenten in Frankreich die Wiederwahl – das ist ein Erfolg und eine Hypothek zugleich. Noch während er am Wahlabend versprach, vieles anders und besser zu machen, musste er sich fragen lassen, warum er damit bis zu seiner Wiederwahl gewartet hat. Das betrifft eine stärkere Einbindung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Sozialpartner in seine Entscheidungen und mehr Respekt vor dem Parlament. Oder auch eine empathischere Haltung gegenüber seinen Landsleuten, die den Abbau sozialer Rechte weniger hinnehmen als die Menschen in vielen anderen Ländern.
Präsidentenwahl in Frankreich: Macron schlägt Le Pen mit rund 58 Prozent
Der liberale Emmanuel Macron setzte sich in der zweiten Runde der Präsidentenwahl am Sonntag mit 58 Prozent der Stimmen gegen seine rechte Konkurrentin durch.
© Quelle: Reuters
Vor allem Linkswähler, die er bei seiner Wahl 2017 noch hinter sich hatte, verschreckte Macron mit seiner Art, oft weitgehend alleine im Hauruckverfahren zu entscheiden. Auch seine strikten Gesetze zu Einwanderung und Asyl oder zum Polizeischutz und den Überwachungsmöglichkeiten des Staates gingen sehr weit. Nun deutete er an, nicht mehr so autoritär regieren zu wollen. Er sollte dieses Versprechen einhalten. Denn für das Vertrauen der Menschen in die Politik, das in Frankreich ohnehin sehr gering ist, war dieser Stil fatal. Er überdeckte, dass Macron vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht echte Erfolge vorweisen kann.
Macron erfährt auch starke Ablehnung
Der Präsident hat mit zu verantworten, dass die EU-feindliche Rechtsextreme Marine Le Pen die Stichwahl erreicht und ihr bestes Ergebnis überhaupt erhalten hat. Sie bekam Stimmen von Menschen, die sich von der Pariser Machtzentrale missachtet fühlen und ihre elitären Politiker im Gegenzug selbst verachten. Diese Wählerinnen und Wähler fanden nichts dabei, dass ihre Kandidatin etliche Errungenschaften der Europäischen Union abbauen und Frankreich in ein intolerantes, sich abschottendes Land verwandeln wollte, das mit grundlegenden Prinzipien der Gleichheit und Brüderlichkeit bricht. Das erschien ihnen besser, als weitere fünf Jahre einen selbstherrlichen Präsidenten zu erleben, von dem sie sich nicht verstanden fühlen.
Dass Macron noch am Wahlabend Demut an den Tag legte und all jenen, die nur für ihn stimmten, um Le Pen zu verhindern, aber auch den Anhängern seiner Gegnerin und nicht zuletzt den zahlreichen Nichtwählern die Hand ausstreckte, war eine kluge und wichtige Geste. Es wird nun darauf ankommen, dass es nicht nur bei der Rhetorik bleibt. Wohlklingende Worte fand der Präsident schon oft, ohne dass unbedingt die entsprechenden Taten folgten. Doch die soziale Stimmung im Land ist explosiv. Sobald er seine geplante Rentenreform erneut angeht, drohen neue Proteste und Blockaden. Frankreich steht vor unruhigen Zeiten.
Wahlsieg für Macron in Frankreich: Blick gilt jetzt der Parlamentswahl
Emmanuel Macron ist erneut zum französischen Präsidenten gewählt worden. Die Wiederwahl des liberalen Kandidaten stößt auf Erleichterung in Europa.
© Quelle: RND
Für Europa ist Macrons Wahl trotzdem eine hervorragende Nachricht. Die deutsch-französische Achse, die seit Jahrzehnten den Weg für Kompromisse auf europäischer Ebene ebnet, hätte unter Le Pen einen Bruch erlebt. Macron bleibt ein verlässlicher und ehrgeiziger Partner, während eine Präsidentin Le Pen an der Spitze des zweitgrößten Mitgliedslandes die EU ausgerechnet jetzt massiv geschwächt hätte – gerade gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem sich Le Pen angebiedert hat. Die Wahl in Frankreich betraf längst nicht nur das Land selbst. Mehr denn je zeigt sich in diesen vom Ukraine-Krieg bestimmten Monaten, dass wir in einer Schicksalsgemeinschaft leben, in der keineswegs gleichgültig ist, wie unsere Nachbarn entscheiden.